02.07.2016
(Im Gefängnis der Worte, Folge 1)
„Fremdenfeindlich“
Der Preis für das Gefängniswort des Tages geht an Claus Kleber, Chefmoderator des Heute Journal (ZDF). In der Sendung am 1.Juli nennt er den österreichischen Präsidentschaftskandidaten Hofer den Kandidaten der „fremdenfeindlichen FPÖ“. So mal eben im Vorübergehen wird da mindestens die Hälfte der Wähler unseres Nachbarlandes unter Generalverdacht gestellt.
Wie selbstverständlich ist seit einiger Zeit der Begriff „Feind“ in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender vorgedrungen. Dabei ist eine indirekte Wirkung im Spiel: Indem die FPÖ für „fremdenfeindlich“ erklärt wird, wird sie selber zum Feind erklärt. So geschieht eine Unterteilung der politischen Landschaft nach dem Freund-Feind-Schema. Für das politische Leben ist das keine Kleinigkeit. Zwischen Feinden gibt es keine rationale Auseinandersetzung, in der jeder Gründe für seine Position vortragen kann. Das Freund-Feind-Schema spaltet die Öffentlichkeit als gemeinsamen Ort aller Bürger.
Der Ausdruck „fremdenfeindliche FPÖ“ verändert den Sachverhalt, der hier vorliegt. Die FPÖ ist für eine Begrenzung der Zuwanderung, gegebenenfalls für einen absoluten Stopp der Zuwanderung über die südlichen und östlichen Landesgrenzen Österreichs. Diese Position teilt sie mit einer großen Zahl österreichischer Bürger. Damit sind sie „Gegner der Zuwanderung“, nicht aber „Feinde der Fremden“. Die beiden Ausdrücke haben eine gewisse Ähnlichkeit, und doch ist der Unterschied zwischen beiden Ausdrücken klar. Wenn ich die FPÖ zum „Gegner der Zuwanderung“ erkläre, referiere ich ihre politische Position. Wenn ich sie zum „Feind der Fremden“ erkläre, klebe ich ein Etikett auf den Charakter der Menschen, die ihr angehören oder sie wählen. Ich stelle sie außerhalb der politischen Auseinandersetzung. Ich spreche ihnen das politische Bürgerrecht ab. Der Begriff des Feindes ist ein totaler Begriff. Wird dieser Begriff in der Politik zur beherrschenden Kategorie (siehe Carl Schmitt), zerstört er die Freiheit der demokratischen Mehrheitsbildung.
Oft geschieht das mit subtilen Mitteln und als schleichender Prozess. Am wirksamsten ist ein Wort-Gefängnis dort, wo es mit kleinen Bedeutungs-Verdrehungen und -Assoziationen arbeitet. Wo es sich in einer Grauzone zwischen Habe-ich-gesagt und Habe-ich-nicht gesagt bewegt. So kann man sich unmerklich einer Sprache bemächtigen und sie in ein Netzwerk zum Menschenfang verwandeln.
Natürlich ist Claus Kleber nicht zu dumm, um den Unterschied zwischen „Gegner der Zuwanderung“ und „Feind der Fremden“ verstehen zu können. Nicht aus Unwissenheit macht er den Gegner zum Feind. Er tut es wissentlich. Er sorgt mit seinem Wort dafür, dass sich ein falsches Bild über die FPÖ und die Bürger unseres Nachbarlandes verbreitet. Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit (volkstümlich auch „Lüge“ genannt).
Es handelt sich hier nicht um einen einmaligen Ausrutscher. Wie auf „Spiegel online“ am 19.1.2016 zu lesen war, hat Claus Kleber schon im Heute Journal vom 30.12.2016 die Zweifler an der Migrationspolitik der Kanzlerin in eine Reihe mit Fremdenfeinden gestellt. Das hatte Jan Fleischhauer unter der Überschrift „Erziehungs-Journalismus“ kritisiert. Damals rudert Kleber dann zurück und erklärt seine Assoziation von Zweiflern mit Fremdenfeinden für einen Fehler, um gleich folgenden Satz anzufügen: „Ich wollte diejenigen, die einfach anpacken, herausheben gegenüber denen, die nichts zur Lösung beitragen – aus welchen Gründen auch immer“. So, so: Wer an der Migrationspolitik der Kanzlerin zweifelt oder diese kritisiert, trägt also „nichts zur Lösung“ bei – nur derjenige, der „einfach anpackt“, tut das und gilt somit als ein positives politisches Element. Und natürlich ist auch derjenige, der zwar nicht „anpackt“, aber als Nachrichten-Moderator etwas „heraushebt“, ein solches positives Element.
Herausgehoben ist auf jeden Fall ist das Gehalt unseres Moderators: Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung bezieht Kleber ein Jahresgehalt von 600000 Euro. Daraus kann man die Bedeutung der Sprachmoderation in unserer Gegenwart erkennen. Ihre Frontleute beziehen (mindestens) Ministergehälter.
Und die jüngste Anwendung des Fremdenfeind-Schlagworts auf die Präsidentenwahl in Österreich zeigt, dass der Moderator des Heute Journals nun wieder und noch strammer auf seinem alten Kurs ist.
Dazu passt ein anderer Vorgang an diesem 1.Juli. In der deutschen Hauptstadt wurde ein Abkommen namens „Berliner Konsens“ geschlossen, das aus Anlass der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus einen Parteienblock gegen die AfD (und die NPD) bildet. Begründung: Die AfD stehe nicht „auf dem Boden unserer Werteordnung“. Von der Rechtsordnung ist nicht mehr die Rede. Aber auf Grundlage ihrer gemeinsamen Werte fühlen sich die unterzeichnenden Parteien berechtigt, die AfD von allen „politischen Mitwirkungsmöglichkeiten“ auszuschließen. So hält die Freund-Feind-Logik nun ganz offiziell Einzug in die Berliner Politik – mit den Unterschriften von SPD, CDU, Linkspartei, Grünen, FDP, Piraten.
(erschienen am 4.7.2016 auf der Internetplattform „Die Achse des Guten“)