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Moderne Zeiten

Über die Eigenart und den geschichtlichen Rang der Moderne Eine Ideenskizze

Wenn in einem Land eine despotische Herrschaft errichtet wurde oder wenn eine ganze Geschichtsperiode unter Drohung despotischer Tendenzen steht, muss man dem in Wort und Tat entgegentreten. Es geht dann um einen Abwehrkampf gegen Unterdrückung, um ein großes „Nein“, also vorrangig um eine Negativ-Mission, die dennoch von großer Bedeutung und Tragweite ist. Anders liegt die Sache, wenn eine zerstörerische Tendenz die Oberhand gewonnen hat, die dabei ist, die Grundlagen der eigenen Zivilisation leichtfertig aufzugeben oder mutwillig zu opfern – wenn also nicht eine totalitäre Gefahr droht, sondern eine nihilistische Gefahr

Dann kann die Aufgabe nicht nur in einem großen „Nein“ bestehen. Sie kann nicht durch eine Negativmission gelöst werden. Eine nihilistische Bedrohung kann nur durch eine positive, konstruktive, affirmative Anstrengung beantwortet werden. Durch ein großes „Ja“ also, und diese Aufgabe ist vielleicht noch schwieriger und langwieriger als das „Nein“ gegen den Totalitarismus. Denn die Zivilisation, die durch Gleichgültigkeit, Leichtsinn oder Rücksichtslosigkeit zerstört wird, muss in ihrer Eigenart und Kostbarkeit herausgearbeitet und hervorgehoben werden. Um die Grundlagen dieser Zivilisation rehabilitieren zu können, muss das, was sie auszeichnet, besser verstanden werden. In mancher Hinsicht muss man diese Grundlagen noch einmal neu entdecken. Und man muss ihre Errungenschaften nicht nur als ein Wissen haben, sondern auch aktiv mit Anstrengung bekräftigen und mit Lust zelebrieren können.  

Die nihilistische Gefahr

Die nihilistische Gefahr ist in unserer Gegenwart unübersehbar. In den Ländern, die längere Zeit die tragenden Kräfte der modernen Zivilisation waren, gibt es massive Versuche, die Geschichte der Errungenschaften in eine Geschichte von „Kolonialismus“, „Rassismus“, „Sexismus“ und der „Zerstörung von Mensch und Natur“ umzuschreiben. Dabei geht es nicht nur um bestimmte Aussagen, sondern es wird versucht, die Sprache als geistige Grundlage der Errungenschaften zu zerstören: Man tabuisiert bestimmte Worte, tüftelt am Schreibtisch bizarre Zeichen-Gebilde aus, zensiert Märchen, Romane und Theaterstücke, demontiert Straßennamen, schlägt Denkmäler kaputt. Wer sich dem nicht fügt, muss mit Ächtung rechnen. Das alles wird nicht nur von irgendwelchen politischen Machthabern veranstaltet, sondern es ist eine breitere soziale Strömung, die in Sendeanstalten, Zeitungshäusern, Theatern, Filmstudios, Buchmessen, Universitäten, Schulen, Kirchen inzwischen zum Normalbetrieb gehört. Die Politik ist von dieser Strömung auch erfasst, aber sie ist nicht der Urheber. Diese Bewegung beruht nicht etwa darauf, dass man auf einmal ganz neue Errungenschaften zu bieten hätte. Entgegen allen großen Ankündigungen leben wir in einer kulturell wenig innovativen Zeit. Diese Bewegung ist wirklich nur eine Negativströmung, eine „Cancel Culture“.  

Dies wird noch deutlicher, wenn man die materielle Seite unserer Zivilisation betrachtet. Denn hier hat die Belastung der Betriebe (in Industrie, Handwerk, Landwirtschaft) massiv zugenommen und führt inzwischen zur Existenzgefährdung ganzer Branchen. Und das gilt auch für die staatlichen Infrastrukturen, die schon erreichte Tragfähigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Mehr noch, es gibt ein strukturelles Vorurteil gegen die große Industrie und gegen die großen Infrastrukturen. Das Technische als solches wird dämonisiert und damit die Grundlage der materiellen Zivilisation in Frage gestellt. Dieser fundamentale Nihilismus ist in der deutschen Energiepolitik besonders drastisch sichtbar. Man hat den Ausstieg aus wesentlichen Energieträgern (Kernenergie, Kohle) beschlossen und schon weit vorangetrieben, ohne dass eine Energiebasis mit vergleichbarer Stetigkeit technologisch zur Verfügung steht. Aber diese historische Lücke wird gar nicht ernstgenommen. Hier tritt zu Tage, wie weit sich ein beträchtlicher Sektor der Gesellschaft von den dinglichen, weltbezogenen Errungenschaften der Moderne verabschiedet hat. Wie völlig ahnungslos er auf diesem Gebiet ist, und wie gleichgültig ihm das ist. Er hat sich in einer Welt rein subjektiver „Identitäten“ und „Wunschvorstellungen“ verrannt.

Dies Negativ-Programm reicht weit in den Alltag der Menschen. Beim Essen, Wohnen, Heizen, Fortbewegen – das gesamte Privatleben und öffentliche Leben – werden einem feinen Netz von Vorbehalten und Vorschriften unterworfen. Überall gibt es Warnschilder und Absperrungen, die die Menschen lenken sollen. Und nirgends wird es einfacher, leichter, lebendiger. Wer alle Warnungen, die Tat für Tag auf die Bevölkerung herunterrieseln, befolgen wollte, ist inzwischen völlig paralysiert. 

So ist eine Situation entstanden, in der alles, was einmal an der modernen Welt attraktiv und faszinierend war, geistig und materiell entwertet ist. Was noch vor einigen Monaten als „große Transformation“, als „Aufbruch“ und „Zeitenwende“ ausgerufen wurde, erweist sich nun immer deutlicher als ein reines Negativprogramm. Es wird abgeschaltet und durchgestrichen, ohne dass ein Ersatz in Aussicht stünde. Nur die Bedrohungen werden in immer schrilleren Tönen dargestellt. Diese nihilistische Eskalation ist inzwischen bei der Beschwörung eines nuklearen Weltkriegs durch „Putins Russland“ angelangt. Doch unvermeidlich kommt dann die Frage auf, ob diese Bedrohungen wirklich so groß sind, um dafür grundlegende Errungenschaften unserer Epoche aufzugeben. 

Umso wichtiger ist es, einen positiven Bezugspunkt und einen geschichtlichen Maßstab zu gewinnen, mit dem diese Errungenschaften in ihrem Wert ermessen werden können. Sie können nur verteidigt werden, wenn eine Rehabilitierung der Epoche gelingt, in deren Möglichkeitshorizont wir immer noch leben. Nichts ist definitiv verloren. Die langen Linien der Entwicklung, die in unserer Gegenwart verschüttet sind, lassen sich wiederfinden.   

Die Moderne rehabilitieren

Indem für diese Rubrik der Titel „Moderne Zeiten“ gewählt wurde, ist eine erste Ausgangsthese formuliert: Der positive Bezugspunkt soll die Moderne sein. Dabei wird ein bestimmter Epochenzuschnitt gewählt. Die Moderne soll die ganze „Neuzeit“ umfassen, die im 15. Jahrhundert ihren Anfang nahm und sich nun seit mindestens fünf Jahrhunderten in unterschiedlichen Ausprägungen auf eigener Grundlage entwickelt. Damit setze ich den fundamentalen Bezugspunkt unserer Gegenwart erheblich später an, als es bei der Achsenzeit-Idee im Sinne von Karl Jaspers geschieht. Zugleich setze ich den Startpunkt der Moderne aber auch erheblich früher an, als das heute vielfach geschieht. Er soll die Renaissance und die „frühe Neuzeit“ (16. bis 18.Jahrhundert) miteinschließen. Die modernen Zeiten sollen sich also nicht erst mit der französischen Revolution eröffnen, auch nicht mit der industriellen Revolution und erst recht nicht mit der künstlerischen und architektonischen „Moderne“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 

Ebenso wenig soll der Ausdruck „Moderne Zeiten“ hier so verstanden werden, dass die Moderne nur ein dauerndes „Modernisieren“ ist – also gar keine bestimmte Struktur und Statik hat. Schon gar nicht gehe ich von der Idee aus, es gäbe in dieser Epoche ein „immer schnelleres“ Modernisieren. Die Aussage, dass mit der Moderne einfach das Immer-Wieder-Neue zum System erhoben wird, ist eine leere Aussage, die keine Orientierung bietet und im Grunde den Epochenbegriff auflöst. 

Meine Moderne beinhaltet also einerseits die Aussage, dass wir uns in einer geschichtlichen Großformation bewegen, deren Grundorientierung noch relativ jung ist. Sie hat – im größeren geschichtlichen Maßstab – gerade erst begonnen. Der Ausdruck „Spätmoderne“ ist in dieser Hinsicht völlig verfehlt und zeugt davon, dass hier gar keine Vorstellung von der Größe des neuen Horizonts besteht, der sich mit Anbruch der Moderne eröffnet hat und nun Raum für viele Jahrhunderte (und Jahrtausende…) des Ausfüllens bietet. Noch verfehlter ist der Begriff der „Postmoderne“, der eher ein rein negatives Abbruchunternehmen bedeutet, das sich an einem Zerrbild der Moderne abarbeitet.

Aber meine Moderne weist doch auch schon eine gewisse Kontinuität auf, zumindest in einigen Ländern und Regionen dieser Welt. Dort hat sie Krisenperioden durchlaufen, die oft als Zeichen der Unhaltbarkeit und des Verfalls der Moderne gedeutet wurden – zum Beispiel in dem langen Kriegszustand im 17. Jahrhundert oder dem Massenelend des 19. Jahrhunderts. Die Moderne hat diese Krisen bewältigt. Sie hat sich auch in recht unterschiedlichen Ländern durchgesetzt und unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Und unsere Gegenwart ist Schauplatz neuer Ausdehnungen der Moderne in der Welt – mit offenem Ausgang. Zugleich ist sie auch Schauplatz von Ermüdungskrisen in einigen Ländern, die schon lange in der Moderne unterwegs sind. Doch insgesamt setzt meine erste Ausgangsthese darauf, dass die Grundorientierung der Moderne nicht erschöpft ist, sondern die Ressourcen zur Bewältigung der Krisen bietet.     

Die „Mitten“ der Moderne

Aber worin besteht diese Grundorientierung? Was ist die Eigenart der Moderne, die sie von den anderen großen Erdzeitaltern unterscheidet? Solange von „Errungenschaften“ der Moderne die Rede ist, handelt es sich nur um Einzelheiten. Aber es geht hier um eine grundlegende Eigenart der Moderne, um eine Grundordnung, um eine Struktur. Vielfach wird an dieser Stelle behauptet, dass „der Mensch“ der zentrale Bezugspunkt und eigentliche Akteur der Moderne sei. Das wird mit dem Postulat verbunden, dass ein bestimmtes Menschenbild der Leitwert der Moderne sei oder sein müsse. Manche Autoren gehen so weit, unser Zeitalter als „Anthropozän“ zu bezeichnen. Zugleich wird in jüngerer Zeit ein zweiter Bezugspunkt genannt: die Natur. Die Natur sei schon die beste aller Welten und könne als Leitbild dienen. Daraus erwächst das Postulat, dass alle menschliche Aktivität möglichst „naturnah“ sein müsse, um gut zu sein. Insgesamt entsteht so ein Dualismus. Mensch und Natur stehen sich unvermittelt in ihrem So-Sein gegenüber. 

So lassen sich aber die Bildungen einer Zivilisation und auch die gebildeten Institutionen nicht verstehen. Sie sind nie ausschließlich auf „den Menschen“ („die Gesellschaft“) zurückzuführen, und ebenso wenig ausschließlich auf „die Natur“. Sie entstehen auf einem mittleren Feld, auf dem beide Seiten zusammen agieren. Und dies „Zusammen“ kann nicht als prästabilisierte Harmonie verstanden werden. Vielmehr handelt es sich zunächst einmal um ein Gegeneinander unabhängig wirkender Größen mit je eigener Entwicklungsgeschichte. Auf diesem agonalen Feld kommt es zur Bildung der geistigen und materiellen Strukturen einer Zivilisation und auch zur Bildung institutioneller Strukturen. Es entsteht („emergiert“) eine eigene „dritte“ Welt zwischen Mensch und Natur – mit einer eigenen Statik und Dynamik. 

Dazu kann hier eine zweite Ausgangsthese formuliert werden: Im Zeitalter der Moderne nimmt diese mittlere Welt ungeheuer an Umfang und Differenzierung zu, sowohl ideell als auch materiell. In dieser mittleren Welt der Moderne sind immer beide Grundkomponenten – Subjekt und Objekt – am Werk. Sie sind also nicht in einer höheren, vorgegebenen Harmonie vereint, und das Objekt ist auch nicht bloß passive Verfügungsmasse („Stoff“) für das Subjekt. Sie begegnen sich in einem Antagonismus und daraus emergieren dann (relativ) stabile Strukturen. 

Der Begriff „Mitte“ könnte zu dem Missverständnis führen, dass es hier nur um eine zwischenmenschliche Mitte geht (um das sogenannte „Soziale“). Aber das wäre nur eine Einschließung des menschlichen Subjekts mit sich selbst. Dagegen ist die Dimension, in der die Moderne einen fundamental größeren Horizont eröffnet, die Dimension des Sachbezugs und Weltbezugs. In der Moderne bekommt das „Gegen-Ständliche“ (das „ob-jectum“) ein ganz anderes Gewicht – moralisch und ästhetisch..                 

Die Asymmetrie der Mitten

Hier soll nun eine dritte Ausgangsthese formuliert werden, und hier liegt vielleicht die größte Zumutung unseres Zeitalters: In der Moderne wächst die Objekt-Seite viel schneller als die Subjekt-Seite. Die Dinge und die gegenständliche Welt haben immer einen Vorsprung vor dem Fassungsvermögen der Menschen. Auf diesen Vorsprung hat zum Beispiel der Kulturphilosoph Georg Simmel hingewiesen. Sigmund Freud hat von den drei großen Beleidigungen gesprochen, die die neuzeitliche Welt der Selbstgewissheit des Menschen zugefügt hat: das Ende der Zentralstellung der Erde im Universum; das Ende der Sonderstellung des Menschen in der Evolution; das Ende der Kontrolle des menschlichen Bewusstseins und Willens über sein Seelenleben. In dieser neuen Grunderfahrung wurzelt auch das Unbehagen des Menschen in der Moderne: Sie bedeutet „Verdinglichung“ und „Entfremdung“. Eine Empfindung, die die Menschen mehr oder weniger häufig im Berufsleben, im Großstadtverkehr, in der Aufdringlichkeit des Angebots von Gütern und Dienstleistungen haben. Und doch handelt es sich bei diesem Übergewicht der Dinge um eine Realität, auf die wir im Grunde nicht verzichten möchten und die uns auch lehrt, die Größe der Welt zu bewundern und die neuen Spielräume der Freiheit zu lieben. Dies Übergewicht der Dinge ist eigentlich auch sehr logisch, insofern die Menschen als endliche Wesen in einer unvergleichlich größeren Welt leben. So ist es weltgeschichtlich sehr folgerichtig, dass die Menschen in eine Zivilisation gelangen, in der sie mit etwas Fremden umgehen müssen, das sie ständig überragt, und das ihnen ständig voraus ist. 

Die Konsequenzen dieses fundamentalen Ungleichgewichts sind noch wenig durchdacht. Eine Konsequenz ist, dass wir das Objektive in unserem Denken und Handeln anders verstehen und gewichten müssen. Es ist irreführend, wenn mit „Objektivität“ eine menschliche Fähigkeit gemeint ist, die das von außen Gegebene vollständig erkennen kann und ihm insgesamt gerecht werden kann. Eine „objektive Wahrheit“ ist nicht verfügbar. Wir sind darauf verwiesen, das Objektive buchstäblich als etwas uns Entgegengeworfenes zu verstehen, das sich uns nie vollständig erschließt. Und das wir nie wirklich beherrschen. Auch wenn der Mensch an sehr viele Dinge Hand anlegt, so ändert das nichts daran, dass diese Dinge ein Eigenleben führen. Darin liegt die Eigenart und Eigenwilligkeit der Zivilisationsdinge. Die Konsequenz ist, dass das „aktivistische“ Dasein des Menschen bescheidener verstanden werden muss – und auch an bescheideneren moralischen Maßstäben gemessen werden muss. Der Mensch ist kein Weltenlenker, er kann und muss es nicht sein. Zugleich wächst in der Moderne die Bedeutung des „empfangenden“, wahrnehmenden Daseins, und damit die Eigenständigkeit des Ästhetischen neben dem Moralischen.  

Unterschiedliche „Zeiten“ der Moderne

Eine andere Konsequenz betrifft die Geschichte: Wo das Eigengewicht des objektiv Gegebenen wächst, bestimmt es auch stärker die Dynamik der Zivilisationsgeschichte und Institutionengeschichte: Zahlreiche Beispiele liefert die Technikgeschichte. Hier bestimmt keineswegs der Mensch als Erfinder oder Wissender das Tempo der Entwicklung. Perioden raschen Wandels und Perioden langsamer Entwicklung oder sogar Stagnation kommen und gehen, wann sie wollen, und nicht, wann die Menschen es wollen. Wir erleben das gerade bei den „alternativen Energien“. Auch eine gute Ordnung von Eigentumsrechten hilft nicht weiter, wenn ein gegebener Stand der Technik sich als sperrige Realität erweist. Der Werbeslogan „Alles ist möglich“, den ein großer Autohersteller vor etlichen Jahren einmal auf seine Fahnen schrieb, ist ein Pfeifen im finsteren Walde. 

Hier könnte auch ein bestimmtes Manko unserer Gegenwart liegen. Die weiter entwickelten Länder befinden sich eventuell gerade in einer Phase, in der wenig Neuland in Sicht ist und keine großen Innovationen der Produkte und Herstellungsprozesse möglich sind, und damit auch keine großen Steigerungen der Wertschöpfung. In einer solchen Phase besteht ein Großteil der Tätigkeit darin, das erreichte hohe Niveau zu wahren – also im Wiederholen. Das kann in mancher Hinsicht auch die Rehabilitation der Moderne erschweren. Wenn sie sich nicht mit dem Faszinosum des Neuen legitimieren kann, erscheint sie auf den ersten Blick als monoton und langweilig. Und doch ist auch ein erreichter hoher Stand der Zivilisation eine Errungenschaft und gehört zur epochalen Legitimität der Moderne. Diesen Stand zu erhalten, ist eine große, ehrenvolle Aufgabe.

Deshalb ist es heute wichtig, das Vorhaben einer Rehabilitierung der Moderne in einer größeren geschichtlichen Dimension anzulegen und in den heutigen Zivilisationsdingen die „langen Linien“ aufzuspüren, die nach wie vor keine Selbstverständlichkeit sind, sondern kostbare Errungenschaften, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfen. 

„Moderne Zeiten“ als Werkstatt

Es wäre denkbar, dieser Rehabilitierung der Moderne ein größeres Buch zu widmen. Aber das würde sehr viel Arbeitskraft auf ein einziges Produkt konzentrieren. Dabei wäre das Risiko groß, dass ein solches singuläres Werk letztlich doch zu einseitig ausfällt oder zu kurz greift. Und es geht hier ja nicht nur um eine theoretisch-abstrahierende Klärung, sondern auch um eine empirisch-konkrete Beobachtung und Sammlung. Die Positivität der Moderne wird nur im Detail anschaulich und faszinierend. Nur durch eine wirkliche Vermessung der Dinge kann sie überzeugen. Deshalb erscheint es mir sinnvoller, die Aufgabe der Rehabilitierung der Moderne in mehrere Themenfelder, mehrere Stoffsammlungen, mehrere Einzeltexte verschiedener Art – Essays, Abhandlungen, Kommentare, Berichte, Notizen – aufzufächern. Diese sollen in Dossiers zusammengefasst werden. So soll eine Art Werkstatt „Moderne Zeiten“ entstehen. Und diese Werkstatt soll auf meiner Webseite öffentlich dokumentiert werden – damit die Arbeit in ihrem Fortgang von interessierten Lesern verfolgt werden kann. Damit sie in ihrer Richtung auch kritisch begleitet, ergänzt oder korrigiert werden kann. Und damit Leser sich auch zu einer eigenen Fortführung anregen lassen können. 

Meine erste Liste der geplanten Dossiers umfasst folgende Titel:

  • Das Zeitalter der Moderne
  • Technik und Sprache als „Mitten“  
  • Das Buch der Dinge
  • Kapital und Arbeitswelt
  • Territorialstaat und Infrastruktur
  • Stadt und Land
  • Das Buch der Orte
  • Es lebe der Sport
  • Über Jazz, Rock, Pop
  • Literarischer Salon
  • Über Bürgerlichkeit 
  • Über Deutschland
  • Süd-West-Boulevard

Diese Liste besteht aus recht unterschiedlichen Themenfeldern und Fragestellungen, die auch noch näher erläutert werden müssten. Zugleich ist diese Liste natürlich eine einseitige Auswahl von Zugängen. Sie könnte auch ganz andere Elemente enthalten. Es ist eben meine Auswahl. „My Way“, um es mit Frank Sinatra zu sagen.

Gerd Held, im April 2022