Am 21. Dezember sind Wahlen in Katalonien, doch es geht nicht nur um diese Region. Erst im spanischen Maßstab werden die Herausforderungen sichtbar, an denen sich auch Katalonien messen lassen muss. (Existenzfragen Spaniens, Teil I)
An der Südgrenze
6. Dezember 2017
Am 21. Dezember finden die Neuwahlen zum katalanischen Regionalparlament statt. Es ist eine Stunde der Wahrheit, nicht nur für die Politiker, sondern auch für das wählende Volk, den Demos. Doch nicht die „katalanische Frage“ soll in diesem Beitrag im Mittelpunkt stehen. Diese Frage ist, für sich genommen, gar nicht so wichtig. Die tieferen Probleme, die sich heute auf der iberischen Halbinsel stellen, erschließen sich nicht aus einer Betrachtung Kataloniens. Erst im spanischen Maßstab werden die Herausforderungen sichtbar, an denen sich auch Katalonien messen lassen muss.
Wer die Nachrichten und Kommentare Revue passieren lässt, die uns in den vergangenen Jahren aus dem Südwesten Europas erreicht haben, wird drei Großbaustellen finden, die mit einer „katalanischen Besonderheit“ gar nichts zu tun haben:
- Erstens: Da ist der anschwellende Migrationsdruck an der Südwest-Grenze Europas, der nicht weniger brisant ist als der Druck an seiner Südost-Grenze. Es gab eine erste krisenhafte Zuspitzung 2006, dann eine erste durchaus gelungene Schließung der Grenze gegen illegale Übertritte und in jüngster Zeit eine neue Qualität organisierter und gewaltsamer Grenzverletzungen. Dabei muss man im Blick haben, dass hier auch eine Nachschublinie des islamischen Fundamentalismus nach Europa verläuft.
- Zweitens: Diese Baustelle ist wirtschaftlicher Art: Die Schuldenkrise hat Spanien voll getroffen. Sie ist im Kern eine Krise der Wertschöpfung und einer drohenden Deindustrialisierung, bei der innere und äußere Faktoren zusammenwirken. Dabei ist Spanien besser aufgestellt und hat härter saniert als andere „Südländer“ wie Griechenland, Italien oder auch Frankreich, mit denen es zu Unrecht in einen Topf geworfen wird. Aber seine Ökonomie tut sich trotzdem sichtlich schwer, aus der Krise einfach „herauszuwachsen“. Hier machen sich auch Restriktionen des Wirtschaftslebens bemerkbar, die von der Umwelt des Südens diktiert werden.
- Drittens: Hier geht es um die Fragilität der demokratischen Verantwortungsgemeinschaft des Nationalstaates „Spanien“ – also um eine politische Großbaustelle. Im Laufe der 2000er Jahre gab es eine Tendenz, die Erfahrung der gemeinsamen Überwindung des Franco-Regimes (der „Transicion“) zu entwerten. Anstelle von Verantwortung und Disziplin breitete sich eine leichtsinnige Versorgungsmentalität in Staatsdingen aus und bestimmte die Konkurrenz der politischen Parteien. Unter diesem Vorzeichen stand die Regierungszeit Zapateros (PSOE) und die Sanierungsversuche Rajoys (PP) schienen 2015 mit dem Aufstieg der „Podemos“-Bewegung in einem Fiasko zu enden. Doch dann zeigte der überraschende Wahlsieg Rajoys im Dezember 2016, dass ein erheblicher Teil der Spanier doch den Ernst der Lage ihres Landes spürte – ohne dass man heute wirklich von einer eindeutigen Mehrheit für die Konsolidierung Spaniens sprechen kann.
Baustellen und Bruchstellen Spaniens
Bei allen drei Komplexen müsste man eigentlich von Baustellen und Bruchstellen sprechen, denn es gibt immer wieder an den gleichen Fronten ein neues Aufbrechen von Problemen und neue Anstrengungen, sie zu meistern. So ist das heutige Spanien keineswegs ein „erstarrtes Gerippe“, aber es ist auch keine „Siegernation“, die von Erfolg zu Erfolg eilt. Die Story, dass da eine eitle und korrupte „Generation von gestern“ die Zukunft des Landes blockiert und von einer „jungen, entspannten Generation“ abgelöst werden muss, kann man getrost vergessen. Eher trifft das Bild eines Landes zu, das sich mit hartnäckigen Problemen auseinandersetzen muss. Und das sich über die Tiefe der Probleme und die Anforderungen politischer Verantwortung noch nicht einig ist. An der südwestlichen Peripherie Europas (und nicht nur dort) ist es kein Zeichen von Vernunft, wenn man einen schlichten Wir-Schaffen-Das-Optimismus pflegt. Die Bau- und Bruchstellen müssen ernst genommen werden und das gilt auch im geschichtlichen Maßstab. Hier sind Knappheiten und Gegensätze wirksam, mit denen sich die Spanier immer wieder neu auseinandersetzen müssen. In dieser Auseinandersetzung hat sich die spanische Nation gebildet. Das macht die Anspannung aus, die diese Nation gerade in ihren starken Zeiten auszeichnete. Die Aussicht auf vermeintlich leichte Auswege hat Spanien noch nie gutgetan.
Im Folgenden soll es zunächst nur um die erste Baustelle gehen: um die Südgrenze, die für die Geschichte der spanischen Nation immer eine konstitutive Rolle gespielt hat. Unter den Nationen Europas gehört Spanien zu den Grenznationen – und es hat hier eine bedeutende Geschichte europäischer Selbstbehauptung geschrieben.
An der Südgrenze
Am 20. November 2017 berichtete die Zeitung „El Pais“ von einem Ereignis, das aufhorchen lässt: An der spanischen Küste der Region Murcia waren an verschiedenen Stränden insgesamt 49 Boote mit 519 Migranten aus Algerien gelandet. Es war eine massive, organisierte Landungsaktion. Ein Vertreter der Regionalregierung von Murcia sprach von einem Ereignis, dass in der Geschichte der Region noch nicht vorgekommen sei. Er sprach von Schlepperorganisationen, die den Konvoi organisiert hatten. Die spanische Grenzpolizei wurde von dem Ansturm – insbesondere in diesem Küstenabschnitt – offenbar überrascht. Dies Ereignis belegt, dass der Migrationsdruck an der Südgrenze eine neue Qualität erreicht hat. Und dass dabei Spanien als südwestliche Grenznation Europas wieder stärker in den Vordergrund rückt. 2017 waren bisher ca. 20.000 Personen, die ohne Visa auf dem Seeweg von Marokko und Algerien auf spanisches Gebiet vordrangen. Dazu kamen noch 3200 Personen, die die Grenzzäune in die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla überwanden. Das sind die höchsten Zahlen seit 2006.
Die sogenannte „Westroute“ (Westafrika, Mauretanien, Marokko, Spanien) war schon einmal die Route mit den meisten illegalen Übertritten nach Europa. Allein im Jahr 2006 kamen fast 32000 Afrikaner über die Meerenge von Gibraltar bzw. über die Kanarischen Inseln. Dann sanken die Zahlen drastisch. Ein Bericht von Jochen Stahnke (in der FAZ vom 9.10.2015) nennt für die erste Jahreshälfte 2015 die Zahl von 342 Migranten, die Spanien durch illegale Bootsüberfahrten erreichten. Die Zahl von 5000-6000 Migranten, die Spanien insgesamt aufgenommen hat, ist für einen südeuropäischen Grenzstaat erstaunlich gering. Was war geschehen? Spanien hatte die Zusammenarbeit mit Marokko, aber auch mit Mauretanien, Senegal und Cap Verde systematisch ausgebaut. Es handelt sich um eine Mischung von Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik, wobei man auch vor der Lieferung militärischer Ausrüstung an ein autoritäres Regime (Ould Abdel Aziz in Mauretanien) nicht zurückschreckte. Die Kooperation machte den Einsatz der spanischen Guardia Civil auf fremdem Hoheitsgebiet möglich und die sofortige Rückführung illegaler Migranten. Es war kein Tauschhandel auf Basis der Grenzüberschreitung (wie der EU-Türkei-Deal), sondern eine Zusammenarbeit auf Basis der gegenseitigen Respektierung und Festigung der Grenzhoheit aller Anrainerstaaten. Doch nun zeigen die Zahlen von 2017, dass diese Grenzsicherung Rückschläge erleidet.
Der Druck auf die Südgrenze ist 2017 gewachsen
Am 2. Juni 2017 veröffentlichte die Zeitung „El Pais“ im Rahmen einer Artikelserie über die Südgrenze in Europa (an der sich auch der britische „Guardian“ und der „Spiegel“ beteiligten) einen mehrseitigen Bericht über die Lage im spanisch-marokkanischen Seegebiet. Eine Textstelle lässt aufhorchen. Dort wird beispielhaft eine Szene beschrieben, bei der „eine Nichtregierungsorganisation“ (die nicht mit Namen genannt wird) um 4 Uhr 30 die Guardia Civil anruft und davon spricht, dass ein kleines Migranten-Boot irgendwo in der Meerenge von Gibraltar unterwegs ist und droht unterzugehen. Die NGO kann keine Angaben zum Standort machen, aber sie hat erstaunlicherweise die Handynummer eines der Migranten und gibt diese nun weiter – mit der Forderung, die spanische Seenotrettung solle nun alles tun, um die Migranten zu retten. Merkwürdigerweise hat man so lange gewartet, bis das Boot sich außerhalb der marokkanischen Hoheitsgewässer befand. Ganz offensichtlich betätigt sich die NGO hier als Telefonvermittler einer illegalen Grenzüberschreitung. Man kann davon ausgehen, dass diese Organisation Strafanzeige stellt und einen medialen „Aufschrei“ veranstaltet, wenn die Behörden dem so sorgfältig vorbereiteten Notruf nicht Folge leisten.
Bereits Ende Februar 2017 war die spanisch-marokkanische Grenze in die Schlagzeilen gekommen. „Wir sind im Dunkeln aufgebrochen und haben die Polizei überrascht. Es ging ganz schnell. Mit Gottes Hilfe haben wir den Feind überwunden.“ Mit diesen Worten wird in einer Reportage (FAZ 27. 2.2017) ein junger Mann aus einer Gruppe von Afrikanern zitiert, der es gerade gelungen war, die Grenzzäune um die spanische Enklave Ceuta in Marokko zu überwinden. „Wir sind Löwen“ wird aus der Gruppe gerufen. Sie verstehen sich offenbar als Krieger und fühlen sich stark. In der Reportage wird eine Erklärung der Guardia Civil zitiert, nach der die Migranten „immer aggressiver und zahlreicher“ würden und dabei auch auf Eisenstangen, Metallscheren und Steine verwiesen wird, die beim letzten Sturm auf den Grenzzaun eingesetzt wurden. Blutende Afrikaner drohten spanischen Beamten, sie mit dem Aids-Virus anzustecken. So ist es nicht übertrieben, von einem Kampf auf Leben und Tod zu sprechen, den die illegalen Migranten einzugehen bereit sind und auf den sie sich gezielt vorbereiten.
Verheerende Gerichtsurteile
Zu diesen Zuständen an der Südgrenze haben auch zwei Urteile supranationaler Gerichte beigetragen. Der „Europäische Gerichtshof“ (EuGH) in Luxemburg hatte ein Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko für unrechtmäßig erklärt, weil es das Gebiet der Westsahara miteinschloss, dessen Zugehörigkeit zu Marokko international umstritten ist. Daraufhin erklärte der marokkanische Landwirtschaftsminister (zitiert nach „El Pais“ vom 21.2.2017): „Was sollen wir die afrikanische Migration durch Marokko blockieren, wenn Europa nicht mit uns wirtschaftlich zusammenarbeiten will?“ Er argumentiert aus der Perspektive der südlichen Anrainernationen an der Südgrenze – die durchaus ein Interesse an einer stabilen Grenze haben, aber auch an einem Handelsaustausch ohne Einmischung in politische Ordnungsfragen am Südufer. Doch offenbar wollen die Luxemburger Richter (und die EU?) die Klärung der Statusfrage der Westsahara zur Vorbedingung von Wirtschaftsbeziehungen machen – ohne Rücksicht auf die Folgen für die Stabilität der Südgrenze.
In einem weiteren Urteil untersagte ein anderes supranationales „universales“ Gericht, der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte“ (EGMR), am 3.10. 2017 die unmittelbare Zurückweisung von Personen, die gewaltsam die Grenzzäune zur spanischen Enklave Melilla in Marokko überschritten hatten und sprach ihnen in drei Fällen eine „Entschädigung“ von 5000 Euro zu. Damit erklärte das Gericht ganz explizit die Grenzhoheit der Staaten zu einem sekundären Recht. Dies Urteil bedeutet, dass es für das gewaltsame Vordringen von Migranten auf das Gebiet eines anderen Staates eine Prämie gibt: Die Eindringlinge erobern sich das Recht auf eine (oft jahrelange) Überprüfung von Bleibeansprüchen, ohne ausgewiesen werden zu können. Die NGO-Netzwerker des illegalen Grenzübertritts jubelten.
Nur kohärente Nationalstaaten können gefährdete Grenzen halten
Die jüngsten Vorkommnisse am südwestlichen Grenzabschnitt Europas zeigen, wie sich hier schärfere Gegensätze auftürmen und die Stabilität der Grenze unterminieren. Es wird auch deutlich, warum der Grenzschutz zur den Hoheitsaufgaben souveräner Nationalstaaten gehört. Denn er erfordert nicht nur irgendein „Management“, sondern eine Entscheidung über die Tragbarkeit von demographischen Verschiebungen und über den Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols – also über existenzielle Fragen. Nur im Rahmen von Nationalstaaten ist die Festlegung der Tragbarkeit und die Festlegung des Grenzschutzes in einer Hand zur Deckung zu bringen – in der Hand der Nation und ihrer Verfassungs-Demokratie. Nur diese Staaten sind zuverlässig, nachhaltig und maßvoll. Denn diese Staaten sind es, die mit ihren Sicherheitskräften, ihren Sozial- und Bildungseinrichtungen, ihren öffentlichen Plätzen und Verkehrsinfrastrukturen die Neuankömmlinge tragen müssen. Die internationalen Institutionen sind gar nicht mit etwas Eigenem haftbar. Sie sind Einrichtungen mit minimaler Eigenverantwortung. Sie tun gute Dienst für begrenzte Aufgaben. Ansonsten sind sie organisierter Leichtsinn. Für eine pluralistische Weltordnung ist die Gegenseitigkeit souveräner Nationen das verlässlichere Prinzip.
Spanien als europäische Grenznation
In der Geschichte der spanischen Nation hat diese Grenzaufgabe immer eine besondere und konstitutive Rolle gespielt. Es zählt zu jenen „Grenznationen“, die ihren Zusammenhalt in unmittelbarem Kontakt mit einer harten Grenze wahren müssen. Das gilt heute, angesichts vieler neuer unabhängiger Akteure im Süden Europas, von neuem. In dem geschichtlichen Abschnitt, der vor uns liegt, wird diese Rolle Spaniens nicht geringer werden, sondern zunehmen. Die Entwicklungen des Jahres 2017 an der Südgrenze zeigen das deutlich. Damit gerät Spanien über kurz oder lang in einen ähnlichen Konflikt mit den supranationalen Instanzen Europas, wie ihn die Grenznationen im Osten und Süd-Osten Europas schon haben. Bisher war die spanische Politik sehr bemüht, die supranationalen Instanzen zufriedenzustellen und sich nicht zu isolieren. Aber wenn es feststellen muss, dass es mit den Folgen der Massenmigration alleingelassen wird, könnte sich diese Stimmung schnell ändern. Niemand sollte glauben, dass die Spanier ihre nationale Existenz, die geschichtlich so hart errungen wurde und die an der europäischen Peripherie auch anderswo kein Selbstläufer ist, einfach aufgeben würden.
Die Bedeutung der Südgrenze und die Fähigkeit, sie zu verteidigen, ist ein Gemeingut aller Spanier. Die Wertschätzung für dies Gut ergibt sich nicht aus den Gegebenheiten der einzelnen Regionen. Der Grenzschutz erfordert ein politisches Gewicht, das für einzelne Regionen unerreichbar ist. Ebenso braucht man die Größe eines ausgewachsenen Nationalstaats, um eine glaubwürdige, kooperative Gegenseitigkeit anbieten zu können. Wenn eine Region sich also auf sich selbst zurückzieht, kann sie dies Gut aus den Augen verlieren. Katalonien hat in seiner Geschichte vielfach seine spanische Berufung gesehen und ist ihr gefolgt. Katalanen waren an der Bildung der Nation Spanien in seinen heutigen Grenzen stark beteiligt. Es wäre also keineswegs im wohlverstandenen Sinn „katalanisch“, wenn sich diese Region auf ein kleines Ecken-Dasein im Nord-Osten der iberischen Halbinsel zurückzöge.
Doch in dem Moment, in dem der regionale Stolz sich radikalisiert, kann eine verführerische Vision entstehen: der Rückzug von der Südgrenze. Die Gegebenheiten der Landkarte sind nicht zwingend, aber es ist eine Tatsache, dass Katalonien recht weit von der Bruchkante zu Afrika entfernt liegt – und durch die Nachbarschaft mit Frankreich recht nahe an Kerneuropa. Das kann dazu verführen, sich von den Spannungen dieser Grenze zu verabschieden und die Opfer und die bösen Bilder auf die Rechnung eines „spanischen Staates“ zu schreiben, mit dem man nichts zu tun haben will. Wer die Zukunft Kataloniens in einem Separatstaat sieht, hat offenbar mit dem Schutz der Südgrenze wenig im Sinn.
Der katalanische Separatismus und die wohlfeile Willkommenskultur
Am 18. Februar dieses kritischen Jahres 2017 fand in Barcelona eine große Demonstration statt (mit 160.000 Teilnehmern, die Veranstalter sprachen von einer halben Million) unter dem katalanisch formulierten Motto „Volem acollir“ („Wir wollen aufnehmen“). Wortführer dieser Kombination von Katalanismus und Willkommenskultur wurde ein Filmemacher mit Namen Ruben Wagensberg. Er hatte schon von sich reden gemacht, als er im Sommer 2016 als Aktivist an die griechisch-mazedonische Grenze ging, um dort einen Theaterworkshop für Kinder unter dem Titel „Die Helden von Idomeini“ zu organisieren. „Wir hatten einfach Angst, dass die Welt diese Flüchtlinge vergisst, wie die Menschen in den Lagern in der Westsahara oder Palästina“, wird Wagensberg bei „Zeit online“ am 21.2.2017 zitiert. In Katalonien hat er dann eine Kampagne „Unser Haus ist Euer Haus“ organisiert. Dies Haus steht freilich in recht sicherer Entfernung von den Härten der Südgrenze. Aber als Zeichen der Unterscheidung vom bösen spanischen Staat reicht das demonstrative Willkommen allemal: „In Katalonien haben wir ein feines Gespür für Ungerechtigkeit und einen ausgeprägten Abwehrreflex gegenüber der Verletzung von Menschenrechten – das hat auch mit unseren Erfahrungen während der Franco-Diktatur zu tun, als Sprache und Kultur verboten waren“ sagt Wagensberg. Das sind große Worte. Das Anliegen ist weniger groß: Da verlangen diejenigen, die sich selbst ein besonderes moralisches „Gespür“ bescheinigen, dass die spanische Grenze für Migranten geöffnet wird, und treten gleichzeitig für die Lostrennung der eigenen Region von diesem Spanien ein – wohlwissend, dass dann nur ein Bruchteil der Migranten in Katalonien ankommen wird
(erschienen bei „Tichys Einblick“ am 9.12.2017)