Gedanken, Anmerkungen, Beobachtungen

Mein Monat – September/Oktober 2019

5. November 2019

Diese Ausgabe von „Mein Monat“ umfasst zwei Monate, und sie konzentriert sich diesmal ganz auf ein Thema: die sich zuspitzende Entwicklung der sogenannten „Klima-Krise“. Besser spricht man von einem „Klima-Syndrom“, das unser Land, seine Wirtschaft, sein Staatswesen und sein Alltagsleben in Beschlag nimmt. Die Drohung mit einer ultimativen Klima-Katastrophe und der Plan einer „Welt-Klima-Rettung“ stellt einen Einschnitt dar, dessen Folgen wir noch gar nicht vollständig ermessen können. Noch weiß man nicht, was von dieser „größten Herausforderung der Menschheitsgeschichte“ übrigbleibt, wenn wirklich versucht wird, die Menschen in diese Herausforderung hinein zu zwingen. Aber es handelt sich um einen Angriff auf die moderne Zivilisation und ihre institutionelle Ordnung.
Dies ist nicht einfach ein grüner Partei-Fundamentalismus, der immer schon da war, sondern hier ist im Laufe des Jahres 2019 wirklich eine Verschärfung eingetreten – zumindest in einigen Ländern und Regionen der Welt, darunter Deutschland, aber keineswegs nur Deutschland. Das Klima-Syndrom hat einen erheblichen Teil der Oberschicht und, vor allem, einen großen Teil der in den vergangenen Jahrzehnten stark aufgeblähten gehobenen Mittelschichten erfasst. Sie hat bereits sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft zu verheerenden Entscheidungen geführt. Es geht also nicht nur um einen Meinungs- und Kulturkampf, sondern auch um das materielle Niveau unseres Landes, um seine produktiven Kapazitäten, seine Infrastrukturen, sein Siedlungssystem, seine Arbeitswelt und seine beruflichen Ressourcen. 

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In der politischen Gesamt-Konstellation hat eine bemerkenswerte Umpolung zwischen Freiheit und Autoritarismus stattgefunden. Erinnern wir uns: Im Jahr 2018 wurde – insbesondere in Deutschland und Frankreich – von den Regierenden in großen Reden beschworen, dass sie im Namen der Freiheit für Pluralismus und Weltoffenheit handelten, gegen eine autoritäre Bedrohung (durch den Rechtspopulismus). Jetzt, im Jahr 2019, werden – zur Rettung des Weltklimas – diktatorische Eingriffe und Verbote im Weltmaßstab gefordert. Was für eine Umkehr der Fronten! Auf einmal zeigt sich auf Seiten der Regierenden ein Neo-Autoritarismus, während auf Seiten der Opposition die Vielfalt der Arbeitsformen, der technischen Lösungen, der Industrien und der nationalen Entwicklungspfade verteidigt wird. Und natürlich auch die Freiheit der Lebensformen, des Essens, der Kleidung, der Verkehrsmittel, der Genüsse. Die Regierenden machen die Welt eng, die Opposition wird zum Verteidiger ihrer Vielfalt. Es handelt sich dabei um eine Umpolung von historischen Dimensionen. Indem die Regierenden eine „Krise unserer Zivilisation“ beschwören, unternehmen sie eine Großrevision für den Gesamtzeitraum von (mindestens) fünf Jahrhunderten Neuzeit. Inzwischen hat der Begriff „große Transformation“ Konjunktur.

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So wächst der Opposition nun die konservative Aufgabe zu, für die Bewahrung der Gesamtheit der Errungenschaften der technischen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Moderne zu kämpfen. Es ist wirklich die Stunde der Konservativismus – aber dieser muss sich weiterentwickeln und dezidiert die Neuzeit einschließen. Und er kann sich nicht mehr damit begnügen, nur „wertekonservativ“ zu sein, sondern muss er muss „strukturkonservativ“ werden, und die Ordnung des freiheitlich-demokratischen Staatswesens und der Markt-Wirtschaft verteidigen. Denkwürdiges Jahr 2019.

I. Im Schwarzwald

Ich war vor einiger Zeit im Schwarzwald unterwegs, genauer im Hochschwarzwald, in Menzenschwand. Es liegt in einem recht breiten Hochtal, das aber kein Durchgangstal ist, sondern nach einer Seite durch Berge abgeschlossen. Nach dieser Seite hin gibt es einen Rundweg zum Wandern, den „Geißenpfad“, der auch als Lehrpfad angelegt ist. Es gibt Tafeln, die dem Wanderer das Lesen der Landschaft erleichtern. Ich bin den Pfad fünf Mal gelaufen, und erst beim dritten Mal kam ich dazu, den folgenden Tafeltext genau zu lesen:
„Viele Landschaftsformen des Südschwarzwaldes lassen sich durch die Vorgänge in den Eiszeiten erklären. Dies trifft auch für den Wasserfall der Menzenschwander Alb zu. Hier trafen die Gletscherzungen des Alb- und des Krunkelbach-Tals aufeinander. Der vom Herzogenhorn kommende Krunkelbach-Gletscher war aber mächtiger als der Albtal-Gletscher des Feldbergs und hobelte das Tal stärker aus. Es kam zu einem Aufstau des Eises und es bildete sich in dem anstehenden Granit eine über 20 Meter hohe Stufe. In diesen Geländesprung hat sich die Alb nach dem Abschmelzen der Gletscher eingeschnitten. Es ist eine Klamm entstanden, die an die schluchtartigen Täler und die Gebirgsbäche zum Beispiel der Alpen erinnert. Ein schattiges und kühles Plätzchen, nicht nur für verschiedene Moos- und Farnarten.“
Vielleicht hätte man über diese Sätze in anderen Jahren nicht weiter nachgedacht. Aber jetzt, wo jeder schmelzende Gletscher zum Beweis für eine terminale „Überhitzung der Erde“ genommen wird, horcht man auf. Wir gehen also in unseren Mittel- und Hochgebirgen ständig durch Landschaften, die von geschmolzenen Gletschern geprägt sind. Diese Landschaften sind in ihrer Gestalt, ihrer Flora und Fauna reiche Landschaften – kultur-fähige und kultur-fordernde Gegebenheiten. Seit Jahrtausenden lässt das Gletschersterben solche Räume mit einer neuen Arten- und Kulturvielfalt entstehen. Doch heute werden Trauerprozessionen veranstaltet, als wäre die Welt danach nur noch Asche.

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Und noch eine zweite Informationstafel am „Geißenpfad“ ist interessant: „Die Täler der Menzenschwander Alb und des Krunkelbaches wurden in der letzten Eiszeit stark überformt. Die Gletscher, die vom Feldberg und dem Herzogenhorn ins Tal flossen, hobelten die ehemals V-förmigen Bergeinschnitte zu breiten, muldenartigen Tälern aus, sogenannten Trogtälern. Nachdem das Eis verschwunden war, entwickelten sich in dem Tal Wälder verschiedener Ausbildung. Sie wurden mit der Besiedlung von Menzenschwand um etwa 1300 teilweise gerodet. An den Hängen entstanden Mähwiesen. Die Steine störten beim Mähen der Wiesen und man setzte sie am Rand zu Mauern auf. Das `zahme Feld´ im Tal wurde so vom `wilden Feld´ am Hang durch lange Steinmauern getrennt. Sie markierten auch die Grenzen zwischen Grundstücken. Man erkennt die Steinmauern heute noch.“
Zum neuen „weltoffenen“ Diskurs gehört die Generalthese, dass jedweder „Mauer“ und „Grenze“ von übel sei. Sie sei ein sicheres Zeichen für Abschottung, Engstirnigkeit und Denken in homogenen Einheits-Identitäten. Doch die Mauern im Menzenschwander Tal sind die Voraussetzung für eine biologische und kulturelle Differenzierung einzelner Teillandschaften mit unterschiedlichen Potentialen. Sogar Elektrozaun und Stacheldraht werden eingesetzt. Manchmal werden bestimmte Bäume einzeln in solche Abwehranlagen gehüllt, um sie vor dem Verbiss durch Ziegen zu schützen, während dieser Verbiss an anderer Stelle erwünscht ist, um das „wilde Feld“ nicht völlig durch Bäume und Büsche zuwuchern zu lassen. Lang lebe Trockenmauer und Stacheldraht!  Gott schütze sie vor den törichten Anhängern einer Welt ohne zivilisierende Grenzen. 

II. Das Klima-Ultimatum

Es gibt etwas Neues im Verhältnis der Menschen zum Klima und in der Natur-Vorstellung, die der Wahrnehmung und Deutung der Fakten zugrunde liegt. Es gibt eine neue „drängelnde“ Tonlage. Über den Klimawandel wird ja schon länger gesprochen. Aber jetzt ist eine Verschärfung, eine terminale Zuspitzung eingetreten. Christian Stöcker schreibt im „Spiegel vom 16.9.2019):
 „Wenn Monsterstürme, mörderische Hitzewellen, Dürreperioden und sterbende Ökosysteme aber erst einmal so allgegenwärtig geworden sind, dass auch die hartnäckigsten Klimawandelleugner nicht umhinkommen, die Realität der Erderhitzung zu akzeptieren, wird es zu spät sein. Es gibt bei der Veränderung des Erdsystems klar definierte Kipppunkte, und wenn die überschritten werden, gibt es kein Zurück. Es klingt pathetisch, aber es ist wahr: Das Ende der menschlichen Zivilisation liegt im Bereich des Möglichen.“
Die Grundformeln und Leitmotive des neuen Klima-Diskurses lauten „Zu spät“ und „Ende der menschlichen Zivilisation“. Mit diesen Formeln werden jetzt alle möglichen empirischen Ereignisse neu gedeutet. Alles wird nun zum Vorzeichen in einem Diskurs der Vorahnungen, der aber schon definitiv festgestellte Wahrheit („die Wissenschaft“) sein will. So ist am 26.7.2019, nach einigen Tagen großer Hitze in Deutschland, in einem Leitartikel auf Seite 1 der FAZ (Joachim Müller-Jung) folgendes zu lesen:
„Wenn wir vor die Tür treten und uns nicht mehr zu Hause fühlen; wenn wir das Gefühl haben, diese Hitze gehört nicht hierher, weil wir das Gefühl haben, diese Hitze gehört nicht hierher, weil wir sie nur vom Tauchurlaub am Roten Meer kennen und nicht als schweres Gepäck auf dem Weg zur Arbeit, dann ahnen wir, dass da draußen etwas schiefläuft…
Das Klimasystem, das diese extremen Wetterlagen hervorbringt, ist in Unordnung geraten, kein Zweifel. Ist es Hysterie, das festzustellen? Ausgerechnet in der aktuellen Hitzewoche ist im Netz eine Debatte über `Klimahysterie´ entbrannt, die unpassender kaum sein könnte…
Auch deshalb wird der Streit immer hitziger, weil der Klimawandel in unserem Alltag angekommen ist und weil die Wissenschaft heute bereit ist, das Vertrauen, das Politik und Wissenschaft in sie setzen müssen, mit harten Bandagen und Klartext zu verteidigen…
Noch nie in der zweitausendjährigen Geschichte des Abendlandes haben sich Klima und damit die Lebensgrundlagen so schnell und weltweit flächendeckend verändert wie in unseren Tagen. Wahlkämpfer hört man heute oft sagen: Ja, der Klimawandel sei ein Thema. Er ist aber nicht nur ein Thema, er ist die globale Krise unserer Zeit.“
Es ist inzwischen gängige Münze, dass von einem einzelnen Ereignis, einer Erfahrung von ungefähr einer Woche mit Temperaturen, die Mailand oder Sevilla im Sommer normal sind, auf „die globale Krise unserer Zeit“ geschlossen wird. Und wo bleibt eigentlich der Leitartikel der FAZ, wenn die Temperaturen und Niederschläge nach der Hitzewoche wieder ins Normalmaß zurückkehren – so wie wir es in Deutschland in diesem Jahr erlebt haben? Wissenschaftlich sind wir ja noch nicht einmal in der Lage, eine monatliche Berichterstattung mit eindeutigen Bezugsmaßen und festen Methoden-Standards über die Wetter-Entwicklung zu organisieren (wie man sie zum Beispiel vom Arbeitsmarkt-Bericht kennt).

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Überhaupt ist es merkwürdig, dass in der vorherrschenden „Klima-Wissenschaft“ gar keine Gegen-Faktoren vorkommen, die ein „Aufschaukeln“, eine positive Rückkopplung und ein Aufschaukeln der Wärmeeinträge in die Atmosphäre verhindern. Konkret gefragt: Wieso sind wir nach der extremen Hitze-Woche zu normalen Temperaturen zurückgekehrt? Wo ist die Hitze geblieben? Wieso gibt es den Tag-Nacht-Zyklus der Temperaturen? Den Jahreszeiten-Zyklus? Obwohl das suggestive Bild des „Treibhauses“ offensichtlich unzutreffend ist, wird es immer noch verbreitet. Zwar wird bei kritischen Nachfragen versichert, dass die Erde gewiss kein geschlossenes System ist, aber man ist auch nicht bereit, die Erde als offenes System zu denken. Dann müssten die Modelle ja mit der Möglichkeit rechnen, dass verstärkte Inputs mit verstärkten Outputs einhergehen. Die vorliegenden Daten zeigen, dass der Temperaturanstieg gar nicht linear mit dem CO2-Eintrag in die Erdatmosphäre gekoppelt ist. Aber dieser Sachverhalt, der normalerweise eine lebhafte und kontroverse wissenschaftliche Diskussion auslösen müsste und die ultimativen Jahrhundert-Prognosen äußerst fragwürdig machen, wird gar nicht ernst genommen.  
Die Behauptung, es gäbe schon eine feststehende, definitive Klima-Wahrheit „der Wissenschaft“ ist also ein Bluff. Die merkwürdige Formulierung in dem oben zitierten FAZ-Artikel, dass das Vertrauen von Politik und Gesellschaft in diese Wahrheit, von „der Wissenschaft“ mit „harten Bandagen“ verteidigt wird, zeigt, dass es hier gerade nicht um ein Vertrauen geht, das in offener Argumentation erworben wurde. Es geht vielmehr um ein Deutungsmonopol – und zwar um ein globales Deutungsmonopol. Das Klima-Ultimatum ist ein Globalisierungs-Treiber.  

III. Hysterie und Hybris der Globalisierung

Die Behauptung einer terminalen Klima-Krise ist mit einer räumlichen Aussage gekoppelt: die Klima-Krise soll die gesamte Menschheit betreffen und zusammenzwingen – denn es gehe um nicht weniger als die „Bewohnbarkeit der Erde“. Die Unterschiede der Länder, der großen Regionen und Kontinente der Erde, des Nordens und Südens, des Osten und Westens seien nun unwesentlich geworden. Die Klima-Krise ist der große Gleichmacher und Kollektivierer. So ist das Neue, das mit dem Klima-Syndrom des Jahres 2019 eingetreten ist, eine ultimative Steigerung der Globalisierung.

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Wer die Texte liest, die in führenden deutschen Medien in den vergangenen Wochen und Monaten publiziert wurden, stellt eine zunehmend hysterische und zugleich diktatorische Sprache fest. Ein Journalist des „Stern“ schreibt: „Das Tempo der Erderwärmung zwingt uns, alte Methoden anzuwenden, (…) Zwang, Verbot, Kontrolle, Strafe“. Gefordert wird, „Entscheidungen schneller zu treffen und rücksichtsloser durchzusetzen“. Und weiter: „Wir müssen solche zivilisatorischen Rückschritte in Kauf nehmen, um die Zivilisation zu retten“.
Berndt Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“, schreibt: „Nur mit der Natur selbst lässt sich nicht schachern. Nicht verhandelbare physikalische Realität – von so etwas bekommt die Demokratie Pickel.“
Und auch die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ ist mit von der Partie: „Es geht, wie Greta Thunberg das völlig realistisch genannt hat, um Leben oder Sterben“, schreibt dort Claudius Seidl.
Die Formel, dass es um „Leben oder Sterben“ geht, ist aus Mobilisierung zum Krieg wohlbekannt. Und ebenso die Formel „Not kennt kein Gebot“: Inzwischen ist ja von manchen Bezirksvertretungen in großen Städten ein „Klima-Notstand“ ausgerufen worden. Man weiß nicht, welche Maßnahmen das konkret bedeutet, aber die Öffentlichkeit soll damit an einen Zustand gewöhnt werden, in dem die demokratisch-rechtstaatlichen Verfahren außer Kraft gesetzt werden. Es soll offenbar eine neue autoritäre Disposition der Menschen hergestellt werden.  

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Diese Disposition enthält zwei Elemente: Hysterie und Hybris. Die Angst vor einer absoluten Bedrohung „auf Leben und Tod“. Und die maßlose Überschätzung der eigenen Macht, die Bedrohung durch eine simple „Wende“ aus der Welt zu schaffen. Es wird ja immer viel von der „deutschen Angst“ gesprochen, und in diesem Sinn könnte man jetzt von einer globalisierten Angst sprechen, denn die Angst hat mit unserem Land und seiner Geschichte recht wenig zu tun. Richtiger wäre die Feststellung: Mit dem Klima-Syndrom wird die Globalisierung hysterisch. Und man könnte die Erklärung hinzufügen: Je weniger die Globalisierung positive Gewinne vorzuweisen hat oder in Aussicht stellen kann, umso mehr muss sie einen großen äußeren Feind beschwören. Das ist die Klima-Krise.
Aber es ist nicht nur Angst (Hysterie) im Spiel, sondern auch eine unglaubliche Vereinfachung bei der Antwort auf die vermeintliche Bedrohung. Man glaubt, dass das Klima-Problem sich auf einen großen Schädling zurückführen lässt: den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Und man glaubt, diese Feind leicht eliminieren zu können. Man hat also eine schnelle Endlösung der Klima-Krise zur Hand. Die Rettung der menschlichen Zivilisation vor dem Klima-Tod soll durch ein „Weg mit!“ der Verbrennung fossiler Brennstoffe geschafft werden. Das ist die unglaubliche Vereinfachung: Die ganze Weltgeschichte soll auf die Frage nach dem CO2-Gehalt der Atmosphäre zulaufen. Wer diese Frage beantwortet, wer also die Welt „CO2-neutral“ macht, beherrscht die Welt.
An dieser Stelle sieht man, wie sehr die Klima-Hysterie in ihrem eigentlichen Kern eine Hybris ist. Die Rhetorik und das Auftreten der Klima-Retter ist nicht wirklich von einer existenziellen Angst geprägt, wie es vielleicht die Menschen des Mittelalters in Erwartung eines unmittelbar drohenden Weltendes hatten. Nein, die Sprache der Klima-Retter ist viel zu selbstgewiss, zu satt, zu eitel – sie prahlt mit ihrer Reputation und ihrer Prominenz. Und auch ihre Politik ist gar keine wirkliche Notstandspolitik, sondern eine Verteuerung und Bevormundung, die „die Wirtschaft“ und das „unwissende Volk“ treffen soll. Es ist eine typisch „kleinbürgerliche“ Hybris, die gegen „die Großen“ (vor allem die Großkonzerne) wettert, und gleichzeitig auf das „populistische“ Volk herabsieht.   

IV. Aggressivität und Willkür

„How dare you“ – “Wie könnt ihr es wagen”. Man muss sich zu diesen Worten, ausgesprochen (quasi ausgespuckt) in der Rede von Greta Thunberg bei ihrem Auftritt vor dem Auditorium der UN in New York das Bild der Sprechenden noch einmal vor Augen führen. Es zeigt ein verzerrtes Gesicht, das keinen Blickkontakt mehr sucht. Das „ihr“ ist zu einem absoluten Feind geworden, den die Sprechende gar nicht mehr sieht und sehen will. Ein Gesicht des „Augen-zu-und-durch“. Mancher wird geneigt sein, dieser Feind-Erklärung mildernde Umstände zuzubilligen. Es sei halt ein junges Mädchen, das besonders authentisch seine Betroffenheit aus. Obendrein sei das Mädchen durch seine autistische Veranlagung eben auf einen Punkt „konzentriert“.
Aber man sollte Worte und Gesicht ernster nehmen. Er ist nicht einfach Empörung, er ist eine Kriegserklärung. Er hat nicht die Weichheit des Mitgefühls, sondern die Starrheit des Angriffs. Er ist buchstäblich „rücksichtslos“ (ohne Seitenblick und Rücksicht). Der Titel, den ein im Fischer-Verlag publiziertes Buch mit Thunberg-Reden trägt, lautet „Ich will, dass ihr Panik kriegt.“ Panik zu säen, ist die Logik des Terrors. Hier spricht jemand vor dem Forum der Vereinten Nationen, der von den Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens der Nationen nichts wissen will.

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Die Bewegung „Extinction Rebellion“ fordert: „Die Regierung muss eine Bürger:innenversammlung für die notwendigen Maßnahmen gegen die ökologische Katstrophe und für Klimagerechtigkeit einberufen.“ Es ist von „Maßnahmen“ die Rede, nicht von Recht und Gesetz. Die unmittelbare Exekution ersetzt die rechtstaatliche Form, die Checks and Balances der Gewaltenteilung. Die Demonstranten haben ein gebrochenes Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie und allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen. Sie ernennen sich selbst schon im Vorgriff zu Bürgerversammlungen und starten ihre Übergriffe. Man verübt auf sogenannten „friedlichen“ Demonstrationen Anschläge auf Autos. Man filmt Autofahrer, denen man ein Schild „Ich bin ein Klima-Sünder“ ans blockierte Auto geheftet hat – das ist der neue Pranger und die „Aktivisten“ genießen sichtlich ihre Macht als als moralische Scharfrichter der Straße.

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Und noch eine zweite Gruppe genießt sichtlich ihre Macht im neuen Klima-Notstand: die sogenannten „Experten“, also die „Wissenden“. Als Beweis ihrer besonderen Qualifikation dient ein Reputations-Beweis: Sie werden in der Medien immer mit dem Zusatz „international anerkannte“ Experten vorgestellt. Das ist gewissermaßen ihr neuer Adelstitel. Hans Joachim Schellhuber, langjähriger Chef des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, fordert „für das Klima“ eine „Weiterentwicklung“ der Demokratie: die gewählten Parlamente sollen durch sogenannte „Zukunftskammern“ ergänzt werden. Diese Kammern sollen aus Personen zusammengesetzt werden, die nicht aus allgemeinen, gleichen Wahlen hervorgegangen sind, sondern „als Wissende“ Sitz und Stimme haben. Dieser Titel wird durch Selbst-Nobilitierung im internen Kreis der Wissenschaft verliehen. Herr Schellhuber spricht also in eigener Sache und hat ein existenzielles Interesse daran, die Dramatik der Klima-Krise möglichst hoch zu halten. So kehrt – unter dem Titel des höheren Wissens – ein höfisches System wieder Einkehr in unsere institutionelle Ordnung.
Auch hier ist man schon zur unmittelbaren Exekution übergegangen: Hier werden jene „Normen“ festgelegt, die dann als absolut einzuhaltende Grenzwerte ganze Industrien vernichten können. Die Normen sind Zahlenwerte, die vorgeblich nur „Umsetzungen“ gesetzlicher Ziele sind und daher als Verordnungen – zum erheblichen Teil auf EU-Ebene – ohne Verabschiedung durch reguläre Parlamente in Kraft treten. Die Frage, ob die Höhe der Normen eventuell so aufwendig ist, dass sie die Gesamtbilanz eines Betriebs oder einer öffentlichen Einrichtung sprengen, kann gar nicht mehr gestellt werden. Ob ein Land, eine Branche, ein Berufstand mit der – völlig isoliert entwickelten – Norm leben kann, interessiert nicht mehr. Wie eine solche Norm zustande kommt, oft im Zusammenspiel globaler Gremien und Konferenzen, ist in einem längeren Artikel in der FAZ (31.1.2019) ausführlich dargestellt worden – am Beispiel des verschärften Grenzwerts für Stickstoffdioxyd-Emissionen (bei KfZ-Dieselmotoren) von KfZ). Die Überschrift des Artikels lautet: „Eine Zahl macht Karriere“.

V. Perspektiven – Diesseits der Klima-Rettung

Jeder Fundamentalismus verspricht, die tiefsten Dinge der Welt zu kennen und die „Ursachen“ beeinflussen zu können. So ist es jetzt auch in der Klimapolitik, die ohne kritisches Nachdenken auf die Idee verfallen ist, man müsse eine Rettung „des Klimas“ veranstalten. Damit hat man einen Gegenstand gewählt, wie er größer und komplexer kaum sein könnte. Ein kritischer Maßstab des Wissen-Könnens und Handeln-Könnens unseres Zeitalters wird nicht angelegt. Der Titanen-Gegenstand „Klima“ war schon im Wort „Klimaschutz“ vorgegeben, und so wurde das allgemeine Denken, ehe es sich recht versah, auf das ganz große Rad gelenkt. Die Radikalisierung zur ultimativen „Klima-Rettung“ war darin schon angelegt. Und nun sind wir mitten in einer großen Mobilmachung, die alles mitzureißen droht. Da ist es höchste Zeit, auf den Ausgangspunkt dieses Wegs zurückzukommen.
Setzen wir also für einen Moment die Brille ab, die uns auf das große Klima-Ganze starren lässt, und schauen auf die einzelnen Formen, in denen das Klima auf der Erde und für die Menschen wirksam wird. Auf die Klima-Folgen also. Wir können dann sehen, dass die Auseinandersetzung mit dem Klima eine Alltäglichkeit unserer Zivilisation ist. Dazu gehören die Einhegung, Schadensminderung und Reparatur nach kleinen und großen Katastrophen. Die Verteidigung der Deiche bei Hochwasser; die Einhegung und Löschung von Wald- und Moorbränden; die Versorgung alter Menschen bei Hitzewellen; dazu gehört der Aufbau einer robusten Infrastruktur, die längere Zeiten des Drucks und wiederkehrende Krisen aushaltbar machen: Dürreperioden, Hochwasser-Regionen, Erdrutsch- und Lawinen-gefährdete Lagen. Dabei kann es um harte Schutzmauern gehen, aber auch um die Öffnung von Flutungsräumen. Oder um die Veränderung der Baumarten eines Waldes. Alle diese Beispiele haben gemeinsam, dass man die Klima-Probleme als gegeben hinnimmt und die Aufgabe als eine Anpassungs-Aufgabe stellt.

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Das ist alles andere als eine gemütlich-passive Haltung („Es wird schon gut gehen“), sondern eröffnet ein weites Handlungsfeld. Hier gibt es nicht die eine große Lösung für alles, sondern vielfältige Einzelaufgaben. Aber es muss auch nicht alles neu erfunden werden. Die Festigkeit und Festigung gegen Klimafolgen ist längst Bestandteil der modernen Zivilisation und der bereits gebildeten Institutionen. Es wurde schon sehr viel geleistet und wird täglich weiter geleistet. Und hier sind sehr viele Bürger, Vereine, Unternehmen, öffentliche Einrichtungen tätig, ohne dass sie mit der großen Keule des Klima-Ultimatums dazu gezwungen werden müssen.
Es gibt offenbar sogar eine schädliche Wirkung dieser großen Keule. Die global-abstrakte Kampagne der „Klimarettung“ entzieht der alltäglichen Arbeit an den Klimafolgen wichtige Kräfte. Es ist eine verblüffende und auch bittere Erfahrung – besonders für die Praktiker die zum Beispiel bei der Feuerwehr, dem Hochwasserschutz oder der Waldpflege tätig sind: Während all der Jahre, in denen das Großprojekt „Welt-Klima-Schutz“ nun schon verfolgt wird und dafür alle möglichen Wichtigtuer weltweit unterwegs sind, ist es immer schwieriger geworden, junge Leute für die tägliche Schutzarbeit vor Ort zu gewinnen.

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Es wäre falsch und leichtfertig, wenn die Kritik am Klima-Ultimatum im Namen eines naiven Gut-Wetter-Glaubens und eines idyllischen Naturbildes erfolgen würde. Das Klimaszenario des 21. Jahrhunderts ist auch noch nicht vollständig beschrieben. Es ist zu erwarten, dass die klimatischen Bedingungen und die Umweltbedingungen generell in diesem Jahrhundert nicht leichter, sondern schwieriger werden. Nicht im Sinne der einen großen Katastrophe, aber im Sinne heftigerer Einzelergebnisse, Dürreperioden, schwerer Stürme, Überschwemmungen, die länger dauernde regionale Verwüstungen nach sich ziehen können.

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Die Frage, ob man als Gegenstand „das Klima“ oder „die Klima-Folgen“ auswählt, ist keine Wortklauberei. Wenn ich „das Klima“ wählte, muss ich in den Gesamtzusammenhang eingreifen und in zu bewegen versuchen. Wenn ich „die Klima-Folgen“ sagen, kann ich zwischen einzelnen Folgen und unterschiedlichen Handlungen unterscheiden: Ein Teil der Klima-Folgen kann man einhegen (durch Deiche…) oder mäßigen (durch Wälder, durch Flutungsgebiete an Flüssen). Einem anderen Teil kann man ausweichen (durch Siedlungsverlagerung). Und schließlich gibt es einen erheblichen Teil, den man schlicht aushalten muss, und seine persönlichen physischen und psychischen Kräfte darauf vorbereiten muss.   

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In der Frühgeschichte der Moderne gab es schon ein Bewusstsein, dass vermeintliche, eingebildete Gefahren und ihre bewusste Erzeugung in Unmündigkeit und Abhängigkeit führen kann – und mithin ein Herrschaftsinstrument sein kann. Molières „Der eingebildete Kranke“ (uraufgeführt am 10. Februar 1673) handelt davon, in der Form einer Komödie in einer privaten, nicht direkt politischen Szenerie. Aber hier wird sehr drastisch vorgeführt, wie kleinere Krankheiten zu Todesängsten und einem Wahrnehmungsverlust gesteigert werden können, und von Ärzten und Erbschleichern genutzt werden können. Vor allem wird auch ein Ausweg gewiesen, durch den Bruder des vermeintlich Kranken und dessen Hausmädchen. Sie besteht letztlich im Ertragen der unvermeidlichen Defizite und Schmerzen des Alters und dem Vertrauen auf bewährte Freunde und Verwandte. Es ist hier etwas vom Realismus eines Montaigne im Spiel, der in seinen „Essais“ (1580) die Schwäche und Hinfälligkeit des Menschen anerkennt, was auch Einsamkeit und Schmerz einschließt; dadurch gewinnt er Spielräume der Souveränität und entgeht der Doppelgefahr von Hybris und Hysterie.    

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Diesseits der „Klima-Rettung“ gibt es aber auch noch Veränderungen, die mit dem Klima gar nichts zu tun haben, und sich eventuell sogar als die größeren Probleme herausstellen werden. Dazu gehört die wachsende Wirtschaftsschwäche in hochentwickelten Ländern. Sie ist eine Produktivitäts- und Wertschöpfungsschwäche. Ganze Industriezwei verschwinden, und es gelingt oft nicht mehr, den Nachwuchs für Berufe in Industrie, Handwerk, Landwirtschaft und „harten“ Dienstleistungen wie der Pflege. Dies alles ist zur Zeit noch teilweise überdeckt und geschönt durch die Politik des billigen Geldes, aber dieser wuchernde Groß-Keynsianismus hat sichtlich seine Steigerungs-Grenzen erreicht.   
Vor diesem Hintergrund erscheinen die gigantischen Klima-Rettungs-Maßnahmen, die die Wirtschaft, die privaten Haushallten und die Staatsfinanzen stark belasten, als gefährliche Fehlsteuerung der Kräfte des Landes. In der gegenwärtigen Gesamtsituation ist es leichtsinnig und grobfahrlässig, durch alle möglichen „Wenden“ etablierte, funktionierende Produktionsanlagen außer Betrieb und außer Wert setzen.     

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Das wird von den Menschen auch gesehen. Am 22. und 23 Oktober fanden in Deutschland und Frankreich Bauern-Demonstrationen statt – und zwar von Bauern mit herkömmlicher Betriebsweise. Sie demonstrierten gegen den Preisverfall und gegen immer schärfere Auflagen und Kosten durch neue Umweltnormen.
Am 26. Oktober erschien in der FAZ ein Interview Stefan Wolf, dem Vorsitzenden des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Auf die Frage nach der Lage der Unternehmen in einem der früher wachstumsstärksten Regionen Deutschlands sagte er:
„Ich würde gern ein freundlicheres Bild zeichnen, aber das ginge an der Wirklichkeit vorbei. Knapp gesagt: Da ist wirklich Feuer unterm Dach. Wir befinden uns in einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Situation, weil gerade alles zusammenkommt. Wir müssen einen schwierigen strukturellen Wandel schaffen, Stichworte: Digitalisierung und Elektromobilität. Wir haben mittlerweile einen starken konjunkturellen Abschwung. Und jetzt kommen auch noch verschärfte Belastungen durch die neue Klimaschutzgesetzgebung hinzu.“       

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Liebe Leser, offenbar kommt es jetzt auf vielen Feldern ganz dick. Und die Klima-Rettung ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil der Probleme, die sich in vielen Ländern und Gesellschaften aufgetürmt haben. Da ist es wichtig, sich die bewährten Dinge des Alltags, und die Möglichkeit, gute Freunde zu haben, nicht nehmen zu lassen. Die neuen Volkserzieher verkünden jetzt die große „Transformation“. Sie wollen Ihnen alle persönlichen und gesellschaftlichen Errungenschaften verächtlich machen. Sie beanspruchen das Recht, Ihr Leben zu „hinterfragen“ und auf all Ihr Tun graue CO2-Marken zu kleben. Sie wollen Ihnen die Sicherheit Ihres Lebensgefühls und ihre Freimütigkeit nehmen.
Lassen Sie sich das Leben nicht stehlen.      

Am 13. November um 19 Uhr werde ich in der Bibliothek des Konservativismus in Berlin, Fasanenstr.4 einen Vortrag mit dem Titel „Zwischen Hysterie und Hybris – Unzeitgemäße Gedanken zur `Klima-Rettung´“ halten.

Auf meiner Homepage www.gerdheld.de finden Sie in der Rubrik „Der Monat“ einen Text, der Eckpunkte meines Vortrags enthält. Sie können ihn hier aufrufen (Bitte Link setzen)   

Mit besten Grüßen, Ihr

Gerd Held