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Wer in Deutschland das Vertrauen wiederherstellen will, muss nicht Subventionen verteilen, sondern zu den tragenden Elementen und festen Maßstäben der staatspolitischen Vernunft zurückkehren.

Substanz und Grenzen des Staates

09. April 2025

Nach dem der Bundestag am 18. März mit einer Zweidrittel-Mehrheit eine Grundgesetz-Änderung beschlossen hatte, die Verbindlichkeit der Schuldenbremse aufzuheben und damit die Bedingung für Kreditermächtigungen außerhalb der regulären Haushaltsführung zu schaffen, erschien auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Leitartikel, in dem man folgenden Satz lesen konnte:

„Deutschland mobilisiert nun endlich all seine Kräfte und Möglichkeiten, um den schon lange bekannten, zuletzt aber rapide gewachsenen Gefahren für seine Sicherheit und seinen Wohlstand die Stirn zu bieten.“

Die Lyrik des „die Stirn bieten“   über Charakter und Wirkung eines zusätzlichen Schuldenpakets von mindestens 1000 Milliarden Euro hinweg. Die Schulden mobilisieren keineswegs die eigenen Kräfte dieses Landes. Vielmehr werden diese eigenen Kräfte ersetzt durch das Geld auf Pump. Denn das frische Geld, das nun zum Start der neuen Regierung und zu Beginn der parlamentarischen Legislaturperiode so schnell und leicht zur Verfügung steht, erspart die Setzung von Prioritäten und die damit verbundenen Einschnitte, die in Deutschland notwendig sind. Es ist ja offensichtlich, dass im Laufe der vergangenen Jahre die Spielräume und Möglichkeiten Deutschlands nicht größer geworden sind. Ziele und Ansprüche, die unter günstigeren Bedingungen entstanden sind, müssten jetzt eigentlich kritisch überprüft zu werden. Doch die Wende in eine expansive Schuldenpolitik ersetzt diese bittere, aber notwendige Revision. Sie ermöglich zunächst ein Weiter-So. Die Rechnung kommt später und wird um ein Vielfaches höher. Am Ende stellt sich heraus, dass man sich mit der Schulden-Wende nur Zeit gekauft hat – und nicht neue, reale Möglichkeiten eröffnet hat. Das in der FAZ gezeichnete Bild eines Landes, dass mit dem Sprung in eine ganz neue Dimension der Verschuldung „nun endlich all seine Kräfte und Möglichkeiten mobilisiert“, ist abenteuerlich falsch und irreführend.

Die ungeklärte Grundrichtung

Noch liegt der Koalitionsvertrag nicht vor, aber seine Entstehung im Schatten einer Geldschwemme auf Pump und eines extensiven Suchverfahrens in den Koalitionsverhandlungen ist die Grundrichtung der kommenden Regierung nicht geklärt. In 16 Arbeitsgruppen mit jeweils 16 Mitgliedern sollte ein Fahrplan für die Zukunft des Landes entworfen werden. Dazu eine Fünfer-Gruppe zur Frage, wie man in der Koalition zusammenarbeiten will. Als könnte man so die Aufgabe lösen, einen „Politikwechsel“, der doch zweifellos im Sinn des Wählervotums vom 23.Februar war, sicherzustellen. Doch wie sollte das zwischen 256 + 5 Männern und Frauen, die sich nach „Themen“ aufgeteilt haben, gelingen? Der Titel „politische Mitte“ bietet keine Garantie dafür, dass man fähig ist, sich von der liebgewordenen Verteilungspolitik immer neuer Zugewinne zu verabschieden. Niemand scheint fähig zu sein, offen auszusprechen, dass sich in Deutschland die Spielräume in Wirtschaft und Staat drastisch verringert haben. Und dass sie sich weiter verringern werden. In dieser Lage kann ein Koalitionsvertrag des Politikwechsels nur darin bestehen, die Notwendigkeit von harten Begrenzungen und Einschnitten in einige klare Maßnahmen umzusetzen. Und zugleich der Verführung durch scheinbar leichte Auswege eindeutig auszuschließen.     

Doch hier zeigt sich eine prinzipielle Leerstelle: Es fehlt der Politik die staatspolitische Dimension. Sie ist nicht auf die materiellen und geistigen Bestände des Staates ausgerichtet. Wir leben in Schicksalsjahren dieses Landes, und dies Land gibt es ohne ein stabiles Staatswesen gar nicht. Wer Politik nur als „Dienst am Kunden“ versteht, kann die substanziellen Bestände des Staates gar nicht als eigenständiger Gegenstand der Politik begreifen. Und damit werden dann auch die Grenzen der Politik nicht begriffen, die sich ja aus dem Wert dieser Bestände ergeben. Der Staat ist kein Warenkorb voller Gaben, sondern ein Gebäude, dessen dauerhafte Statik und Tragfähigkeit für alle Bürger unverzichtbar ist, und die das Kriterium für jede politische Verantwortung ist. Die nicht zu leugnende Krise des politischen Handelns muss als Staatskrise begriffen werden. .   

Politik am Zahlungsstrom

In früheren Zeiten gehörte es zur politischen Vernunft in Deutschland, vor der verführerischen Leichtigkeit und lähmenden Wirkung des Schulden-Auswegs zu warnen. Es war diese begrenzende Vernunft, die in Finanzkrisen neue Schulden an erbrachte Reformen knüpfte. So wurden hierzulande früher Sparmaßnahmen und härtere Bedingungen für die Gewährung staatlicher Leistungen begründet. Und so trat Deutschland auch gegenüber den „Schuldenländern“ in Europa auf. Nun aber will man von dieser Vernunft nichts mehr wissen. Sie scheint irgendwie „überholt“ zu sein. Es scheint keine festen Maßstäbe mehr zu geben, an denen gemessen werden kann, ob eine Schuldenaufnahme verhältnismäßig oder unverhältnismäßig ist. Nun soll alles irgendwie „dynamisiert“ werden. Alles Feste wird aufgelöst, der neue Leitbegriff ist „Mobilisierung“. Das bedeutet eine grundlegende Änderung der Sphäre des Politischen: Sie positioniert sich jetzt nicht auf festem Grund, sondern an einem Zahlungsstrom. Von seinem Geld-Zufluss ist alle Politik nun abhängig. Es ist eine absolute, fundamentale Abhängigkeit. Die Politik lebt von der Hand in den Mund. Alles muss „auf Sicht gesteuert“ werden. Sie wird zum Spielball der Ereignisse. Und sie muss die Bedrohlichkeit der Ereignisse ständig steigern und zugleich immer neue „Projekte“ als Vorzeichen einer besseren Welt ausrufen – damit das Geld weiter fließt. So wird die Politik am Zahlungsstrom immer mehr zur Politik der „großen Erzählungen“, der sogenannten „Narrative“. Und da diese Politik allen festen Grund und alle Haltepunkte verloren hat, wohnt diesem Treiben eine Logik der Steigerung inne. Es bedarf immer größerer Reizmittel, um zu verhindern, dass der Zahlungsstrom versiegt. Die Politiker sind mehr denn je „Getriebene“. Nichts anderes ist jetzt beim designierten deutschen Bundeskanzler zu beobachten, der – um seine Regierung überhaupt bilden zu können – sein Heil in der Losung „Whatever it takes“ sucht.

Offene Schuldengrenzen sind wie offene Staatsgrenzen

Es ist in diesen Tagen oft vom „Betrug“ die Rede, und das durchaus mit Recht. Die CDU/CSU hat vor den Wahlen den Eindruck erweckt, sie würde die Schuldenbremse verteidigen. Sie hat also den Eindruck erweckt, sie würde ernsthafte Reformschritte unternehmen, um die Verschuldung des Staates zu begrenzen. Doch dann, nach den Wahlen, wurde auf einmal der Weg in eine beispiellose Neuverschuldung, die eine Grundgesetzänderung erforderte, eingeschlagen. Da ist es sicher gerechtfertigt, von einem „Wahlbetrug“ zu reden. Und auch von einer schweren Beschädigung des neugewählten Parlaments: Man ließ die Grundgesetzänderung noch vom alten Parlament beschließen – mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit, die es im neugewählten Parlament nicht mehr gibt.

Doch gibt es, in Meinungsumfragen nach den Schuldenbeschlüssen, einen bemerkenswerten Zwiespalt: Eine Mehrheit der befragten Bürger verurteilt die Wählertäuschung, aber zugleich gibt es eine Mehrheit, die die zusätzliche Schuldenaufnahme befürwortet. Man verurteilt das Vorgehen, aber man befürwortet das Ergebnis. In der Sache gibt es also alles andere als eine klare Verurteilung der Schuldenerhöhung. Hier kann man die Macht sehen, die der unmittelbare Eindruck, dass an vielen Stellen Geld fehlt und dass sich „frisches Geld“ besorgen lässt, ausübt. Das Bild von einem „empörten Volk“, das „selbstherrlichen Machthabern“ gegenübersteht, ist daher ein Trugbild.

Es gibt offenbar eine allgemeinere Schwäche dieser Zeit, die die Bedeutung solider Staatsfinanzen nicht sieht. Anders gesagt: Heutzutage wird unter „soliden Staatsfinanzen“ etwas verstanden, dass nichts mit den eigenen Kräften eines Landes und dem damit aufgebauten Vermögen zu tun hat. Wenn jetzt von „Sondervermögen“ die Rede ist, wird ein trügerisches Wort in Umlauf gesetzt. Es handelt sich ja zunächst um ein rein fiktives „Vermögen“. Es ist völlig offen, aus welchen Erträgen dieser Schuldensprung je zurückgezahlt werden kann. Das „Steuern auf Sicht“, bei dem alles eine Frage von geschicktem „Kredit-Management“ ist, ist keine Antwort. Denn bei einem solchen Management bleiben die Fundamentaldaten des Landes ganz unberührt. Die Kreditwürdigkeit eines Landes wird ja nicht dadurch erhöht, dass man geschickt Mittel aus dem globalen Geldstrom abzuzweigen weiß. Solide Staatsfinanzen sind eine Frage richtiger Verhältnisse im Lande. 

Schuldenpolitik ohne klaren Gegenstand

Das Problem ist nicht allein die Größe der Geldbeträge, die nun als Kredite aufgenommen werden sollen. Die ist schon gefährlich genug. Aber noch gefährlicher ist, dass die Gegenstrände und Zwecke der Neuverschuldung gar nicht präzise definiert und damit begrenzt sind. Was will man für den Haufen Geld, aus dem die „Sondervermögen“ erstmal bestehen, kaufen? Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass die beiden Großbereiche „Infrastruktur“ und „Rüstungsausgaben“ sehr dehnbare Felder sind. Es gibt gar kein Leistungskriterium, das ein Sanierungsziel bei den Infrastrukturen fassbar und überprüfbar machen könnte. Und noch weniger gibt es einen solchen Zielzustand bei den Rüstungsausgaben, wo man ja nicht mal eine Obergrenze der Schuldenaufnahme gesetzt hat.

Die Verachtung der Autobahnen

In Berlin ist gerade eine „plötzliche Krise“ an einem neuralgischen Punkt der Stadtautobahnen („Funkturm-Dreieck“) ausgebrochen. Eine Brücke war auf einmal akut einsturzgefährdet. Und sofort zeigte sich, wie elementar eine an sich unauffällige und scheinbar selbstverständlich daliegende Infrastruktur ist: Der Westen der Stadt wird nun vom Ausweichverkehr überschwemmt und dieser Zustand wird wohl, mindestens, zwei Jahre andauern. In so einem Moment wird deutlich, welch immense Leistung der Verkehrsbewältigung eine Stadtautobahn täglich erbringt – und wie leicht sie übersehen wird. Das liegt an einer Eigenschaft, die Autobahnen mit anderen Straßen, Bahnstrecken, Kanälen, Kanalisationen, Stromleitungen, Pipelines und anderen materiellen Infrastrukturen teilen: Sie sind „menschenfreundlich“ oder „naturfreundlich“, sie eignen sich nicht direkt zur Erholung oder zum Verzehr, sie sind oft unansehnlich oder liegen sogar unsichtbar unter der Erde. Aber ohne sie wäre Arbeit und Leben nicht möglich. Sie sind eine „Bedingung der Möglichkeit“. Ihre Bedeutung wird erst deutlich, wenn sie plötzlich nicht mehr funktionieren und fehlen. Und da liegt das Problem des „Sondervermögens Infrastruktur“. Man kann ja mit Fug und Recht fragen, warum angesichts des voraussehbaren Verfalls der wichtigsten Berliner Autobahnbrücke nicht viel früher Sanierungen begonnen wurden oder zumindest Ausweichpläne und Ersatzstrukturen erarbeitet wurden. Das liegt offenbar daran, dass diesen Dingen nicht die notwendige Priorität eingeräumt wurden. Stattdessen wurden Unsummen an Geld und Arbeitstagen für Dinge ausgegeben, mit denen die Politik „Bürgerfreundlichkeit“ demonstrieren konnte. Stadtautobahnen, Schienentrassen oder Kanalisationen sind nicht so sexy wie „verkehrsberuhigte“ Zonen, Fahrradwege, Grünflächen und tägliche „Events“ aller Art. In früheren Zeiten, besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen die Infrastrukturen viel stärker im Vordergrund der Politik. Der Staat war Infrastrukturstaat, und Ingenieure hat in den Stadtverwaltungen eine Schlüsselrolle. Das hat sich fundamental geändert. Doch jetzt bekommen wir die Folgen dieser Geringschätzung der Infrastrukturen zu spüren. Das bedeutet aber: Ohne eine Korrektur dieser langen Fehlentwicklung und ohne eine Rückkehr zum Infrastrukturstaat wird es keine nachhaltige Lösung geben. Das bedeutet aber, dass den Infrastrukturen der notwendige Platz im regulären Haushalt von Bund, Ländern und Gemeinden eingeräumt werden muss. Die Lösung durch „Sondervermögen“ umgeht diese Korrektur. Und mehr noch: Wir erleben, wie auf einmal alle möglichen Bildungs-, Sozial-, Grün- und Kultur-Anliegen auf das Geld aus dem Sondervermögen Infrastruktur schielen.           

Der falsche Krieg

Bei dem Sondervermögen „Aufrüstung“ wird der Eindruck erweckt, hier würde tatsächlich eine notwendige Korrektur an der jahrzehntelangen Vernachlässigung militärischer Aufgaben des Staates vorgenommen. Da ist sicher etwas dran, aber es fällt auf, dass diese Korrektur im Namen der „Kriegstüchtigkeit“ erfolgt und dabei eine grenzenlose Vorstellung vom Feind und von den Kriegszielen in Umlauf ist. Die plötzliche Betonung des Militärischen hat etwas Undurchdachtes. Sie folgt einer gefährlich naiven Logik der „Stärke“, die im Grunde staatsfern ist. Wenn man sagt, die Stärke eines Staatswesens misst sich an seiner „Kriegstüchtigkeit“, dann enthält diese Aussage kein Gegengewicht, dass die Destruktivkräfte des Militärischen in Grenzen hält. Es fehlt das Zögern und Abwägen, das ein modern-bürgerliches Staatswesen gegenüber dem Krieg hat. Die Annahme, dass jede Grenzverschiebung im Osten der Ukraine einen russischen Vormarsch nach Westen auslösen würde, ist grenzenlos. Sie beschwört ein absolutes Feindbild. Sie muss auf einen vernichtenden Sieg über Russland setzen – eine Koexistenz mit Russland wird durch dies Feindbild von vornherein ausgeschlossen. Faktisch läuft das darauf hinaus, einen dauernden Kriegszustand an der Ostgrenze der EU herzustellen. Das ist eine verheerende Situation, die jede staatspolitische Vernunft eigentlich unbedingt zu vermeiden sucht. Stattdessen wurde in Deutschland eine Verfassungsänderung beschlossen, um neben dem ordentlichen Haushalt Rüstungskredite ohne Obergrenze aufnehmen zu können. Das ist eine grob fahrlässige und im Ergebnis verheerende Entscheidung.

Gilt das Schulden-Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch?

Es ist erstaunlich, dass die Verfassungsänderung bei der Schuldenbremse erfolgte, ohne dass noch einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 15.11.2023 zum Nachtragshaushalt der Ampel-Bundesregierung herangezogen wurde. Das Urteil hatte den Nachtragshaushalt für verfassungswidrig erklärt, weil dorthin 50 Mrd. Euro nicht beanspruchter Sonderkredite (Corona) übertragen worden waren. Das Urteil hatte nicht nur die Übertragung zurückgewiesen, sondern auch die Anforderungen klargestellt, die für die Legalität von Sonderkrediten gelten. Das BVerfG präzisierte, was eine Ausnahmesituation im verfassungsrechtlichen Sinn ist. In einem Artikel des Wirtschaftsprofessor Lars Feld („Finanzpolitik nach dem Verfassungsurteil“, in der FAZ vom 21.11.2023) heißt es dazu in Anlehnung an den Wortlaut des Urteils: „In einer Ausnahmesituation, im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, darf sich der Bund höher verschulden, als es die zuvor skizierte Normallage erlaubt.“ Demnach lässt sich nicht jede Beeinträchtigung der Wirtschaftsabläufe als außergewöhnliche Notsituation im Sinne des Artikels 115, Absatz 2 interpretieren. Die Folgen von Krisen, die „lange absehbar waren oder gar von der öffentlichen Hand verursacht worden sind“, dürfen nicht mit Notkrediten gemildert oder behoben werden. Der Autor zog (mit Ausrufezeichen) die Schlussfolgerung:

„Die Klimakrise ist somit keine Krise im Sinne des Art.115 Abs.2 Satz 6 GG!“

Bei den Anforderungen der Karlsruher Richter ging es auch um die „fortdauernde Geeignetheit“ der Krisen-Maßnahmen, die mit den Sonderkrediten finanziert werden sollen. Ich zitiere hier aus der Kurzfassung des Urteils: 

„Je länger die diagnostizierte Krise anhält und je umfangreicher der Gesetzgeber notlagenbedingte Kredite in Anspruch genommen hat, desto detaillierter hat er die Gründe für das Fortbestehen der Krise und die aus seiner Sicht fortdauernde Geeignetheit der von ihm geplanten Maßnahmen zur Krisenbewältigung aufzuführen. Er muss insbesondere darlegen, ob die von ihm in der Vergangenheit zur Überwindung der Notlage ergriffenen Maßnahmen tragfähig waren und ob er hieraus Schlüsse für die Geeignetheit künftiger Maßnahmen gezogen hat.“

Bei der Klimapolitik und dem Ziel der Klimaneutralität, das jetzt in den Sonderschulden „Infrastruktur“ wieder auftaucht, geht es demnach nicht nur darum, wie groß das Klimaproblem eingeschätzt wird. Selbst wenn man von einer größeren Klimakrise ausgeht, erledigt sich dadurch nicht die Frage, ob die Strategie und die daraus folgenden Maßnahmen, die mit dem zusätzlichen Geld auf Pump finanziert werden sollen, einen zielführenden (oder überhaupt nennenswerten) Effekt haben. Wenn das BVerfG-Urteil das Kriterium der „Geeignetheit“ hervorhebt, betrifft das also die sogenannte „CO2-Strategie“, das Kernstück der deutschen Klimapolitik.

Ebenso geht es natürlich auch um die Sonderschulden „Aufrüstung“ und die fortdauernde Geeignetheit angesichts der Entwicklung in der Ukraine und der Veränderungen in der weltpolitischen Konstellation.

Wer Vertrauen wiedergewinnen will, muss die Statik des Staates wiederherstellen

An diesem Punkt wird die Leerstelle deutlich, die sich jetzt in Deutschland – und nicht nur hierzulande – bemerkbar macht. Dem Land fehlt es nicht an irgendeiner neuen „Mobilisierung“. Es fehlt an festen – materiellen und geistigen – Vermögensbeständen, die der Allgemeinheit der Bürger gehören und die dies Land zum festen Halt für sie machen. In der Politik fehlt es an einer dauerhaften, tragfähigen Grundlage, die im ständigen Wechsel der Ereignisse aufrechterhalten werden kann. Ist auf sie Verlass, kann Vertrauen entstehen. Denn Vertrauen hängt nicht nur von der subjektiven Einstellung ab, sondern braucht die Festigkeit einer objektiven Struktur. Da ist die Leerstelle, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Deutschland immer größer geworden ist. Die Statik unseres Staatswesens muss wiederhergestellt werden.