Die Corona-Krise hat tragische Züge: Es gibt keine Entscheidung, die nicht zu erheblichen Opfern führt, und doch muss entschieden werden. Das Recht muss solche Entscheidungen schützen, statt die Augen vor ihnen zu verschließen.
Tragisches Handeln – ein Tabu in Deutschland?
Die Regierenden in Deutschland tun sich schwer, ihre Stilllegung des wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens wieder rückgängig zu machen. Sie tun sich insbesondere schwer, hier eine große Entscheidung zu treffen und nicht nur einen Exit der kleinen Trippelschritte auf Probe zu beschließen, die keine nachhaltige Rechtssicherheit erzeugen. Eine große Entscheidung bedeutet: Es wird ausdrücklich eine neue Priorität des Handelns gesetzt. Wurde die Stilllegung mit der absoluten Priorität „Rettung von Menschenleben“ begründet (und dies war in einer ersten Phase vertretbar), so muss jetzt die Priorität auf das wirtschaftliche, kulturelle und politische Leben gesetzt werden. Diese Veränderung der Priorität wird sich nicht einfach aus dem Verlauf der Corona-Pandemie ergeben, sondern hier ist das Augenmerk auf ein ganz anderes Rechtsgut zu richten, dessen Bedeutung nicht von einem Virus abhängt.
Es sind also zwei verschiedene Dinge, die bei der Corona-Krise in der Waagschale liegen. Und beide Dinge sind sehr gewichtige Dinge. Beide stehen als hohe Rechtsgüter unter starkem Schutz. Und genau hier liegt ein echtes Dilemma des Handelns, das man nicht durch irgendwelche Schuldzuweisungen aus der Welt schaffen kann. Bisher waren vor allem zwei Kritiken am Regierungshandeln vernehmbar: Entweder man fand den „lock down“ zu zögerlich und begründete das mit der besonderen Gefährlichkeit des Virus. Oder man fand ihn übertrieben und begründete das mit der Normalität des Virus („kaum mehr als eine Grippewelle“). Was aber ist, wenn die Corona-Pandemie eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben darstellt und zugleich die Stilllegungs-Maßnahmen eine große Gefahr für die Errungenschaften des Landes darstellen? Dann lägen auf beiden Seiten existenzielle Dinge in der Waagschale. Wir hätten ein wahres Entscheidungs-Dilemma. Wie die Entscheidung auch ausfällt – sie würde Tod und Vernichtung herbeiführen. Diejenigen, die sie treffen, würden sich auf die eine oder andere Weise schuldig machen. Sie können sich aber auch nicht auf ein Nicht-Handeln verlegen, denn die Opfer würden dadurch nicht geringer. Wir sind zum Handeln verurteilt.
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Tragödie und tragisches Handeln – Das Wort „Tragödie“, das man in dieser Krise des Öfteren liest, bekommt an diesem Punkt erst seinen vollen Sinn. Wir befinden uns wirklich in einer tragischen Situation, so wie sie in der griechischen Tragödie dargestellt wurde. Hier bedeutete „Tragödie“ nicht einfach ein großes Unglück, in dem alles zugrunde geht und die Menschen tatenlos zusehen müssen. Vielmehr ging es um ein Handeln verantwortungsfähiger Menschen, um Entscheidungen zum Handeln, denen die Akteure sich nicht mit dem Verweis auf die großen Opfer entziehen. Solche tragischen Entscheidungen können unterschiedlich ausfallen, immer liegt ihr Wert darin, dass sie die Menschen durch sie zu Handelnden werden und nicht in Passivität versinken. Deshalb ist das Recht, tragische Entscheidungen zu fällen, ein sehr wichtiges Recht, weil es die Handlungsfähigkeit von Staat und Gesellschaft erhält oder wiederherstellt. Dies Recht muss in einer Demokratie öffentlich wahrgenommen werden, um die Entscheidungen muss offen gerungen werden. Das ist grundlegend für die politische Kultur. In den frühen Demokratien des antiken Griechenlands erfüllte die Aufführung von Tragödien im Theater diese Aufgabe. Sie bereitete die Bürgerschaft auf reale tragische Situationen und ihre existenziellen Dilemmata vor.
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Zwei Entscheidungen in der Corona-Krise – Die Situation, in die wir jetzt gestellt sind, enthält ein tragisches Dilemma, das auch über die Ostertage nicht leichter geworden ist. Zum einen ist es nach wie vor unwahrscheinlich, dass die Pandemie ohne erhebliches Restrisiko in absehbarer Zeit „überwunden“ sein wird. Zum anderen wird immer deutlicher, dass auch Billionen von billigem Geld die Substanzverluste einer längeren wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Zwangsschließung nicht ausgleichen können. In der ersten Phase der Corona-Krise musste trotz der großen Verluste im wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben, die Rettung von Menschenleben im physischen Sinn im Vordergrund stehen. Doch nun muss über ein zweites großes „Trotzdem“, das vielleicht noch eine größere Schuld mit sich führt, entschieden werden: Haben wir die Kraft, den „lock down“ durch eine neue Prioritäts-Entscheidung zu beenden – obwohl wir wissen, dass dies eine gewisse Erhöhung der Todesopfer zur Folge haben wird?
Die Priorität, die mit der ersten Entscheidung gesetzt wurde, lautete: Es soll um jeden Preis verhindert werden, dass die lebensbedrohlichen Corona-Fälle so steigen, dass sie nicht alle behandelt werden können und dann eine sogenannte „Triage“ durchgeführt werden muss. Die Triage bedeutet, dass ausgewählt wird, wer die lebensrettende Behandlung bekommt und wem sie verweigert wird. Die drastischen Schließungsmaßnahmen im Land wurden beschlossen, um die Ausbreitung der Pandemie so zu verlangsamen, damit die Knappheits-Situation, die zur Triage führt, nicht eintreten kann. Doch mit dieser Vermeidungs-Strategie verlängert man die Dauer der Pandemie und das führt zu einer neuen tragischen Situation: wirtschaftliche, kulturelle und politische Errungenschaften des Landes, die auch unter dem Schutz der Verfassung stehen, werden in ihrer Substanz nachhaltig beschädigt.
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Ist die „Triage“ ein rechtsstaatliches Tabu? – Beim Triage-Problem ist eine merkwürdige Rechtslage festzustellen. Die Rechtsprechung in Deutschland erklärt jedwede Entscheidung, bei der der Tod von Menschen direkt oder indirekt herbeigeführt wird, zum Unrecht. Diese Position ist ganz strikt. Wer solche Entscheidungen trifft, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Jedweder Triage wird also der Schutz des Rechtes verweigert. Sie wird außerhalb des Rechts gestellt. Doch zugleich sind Situationen, in denen Auswahlentscheidungen auf Leben und Tod angesichts begrenzter Mittel und drängender Zeit getroffen werden müssen, im Gesundheits- und Rettungssystem eine Realität. Ärzte müssen sie treffen, entweder ganz allein, oder im Team und in Fallerörterungen mit Ethik-Kommissionen an Krankenhäusern. Diese Realität ist der Rechtsprechung wohlbekannt, und doch beharrt sie auf ihrer Position, ihr einen (begrenzten) Platz in unserem Rechtssystem zu verweigern. Aber man „duldet“ solche Entscheidungen und schließt gewissermaßen die Augen des Rechts ihnen gegenüber, wobei diejenigen, die solche Entscheidungen treffen, eventuell doch damit rechnen müssen, vor Gericht gestellt und verurteilt zu werden. Diese eigentlich unhaltbare Situation ist jetzt in der Corona-Krise offener zu Tage getreten. Es geht im Grunde um die Frage, ob unser Land fähig wird, tragischen Situationen ins Auge zu blicken und die notwendigen Entscheidungen in den Rahmen seiner rechtsstaatlichen Ordnung aufnimmt und anerkennt.
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Erläuterungen eines Richters – Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen Beitrag veröffentlicht („An den Grenzen der Verfassung“, 6.4.2020), der sehr erhellend ist – nicht, weil er die Unhaltbarkeit der heutigen Rechtslage darlegt, sondern weil er sie zu verteidigen versucht. Und weil er den Verfassungs-Ausschluss des Tragischen zu einer Art Staatsräson der Bundesrepublik verklärt. Zu Beginn des Artikels werden die vielfältigen und einschneidenden Folgen verdeutlicht, die die Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie haben, um dann eine im Grunde verheerende Konsequenz für das Verfassungsrecht zu ziehen: „Die Krise führt nicht nur medizinische Versorgungssysteme an Grenzen, sondern auch das Verfassungsrecht.“ Man sollte diesen Satz mehrmals lesen, denn er deutet die Kapitulation des Verfassungsrechts schon an. Ist es nicht gerade ein Vorzug dieses Rechts, dass es dort eintritt, wo die normalen Versorgungssysteme überfordert sind? Verfassungsrecht dient ja ganz wesentlich auch der Sicherung des Gemeinwesens und seiner freiheitlich-demokratischen Ordnung im Notstands-Fall. Gerade hier, und nicht nur in Schön-Wetter-Zeiten muss sich eine Verfassung bewähren. Sie kann und darf nicht nur das freundliche Gesicht einer Bürgerrechts-Charta haben. Deshalb wäre eigentlich zu erwarten und zu fordern, dass die Verfassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts positive Aussagen zur selektiven Verteilung knapper lebensrettender Mittel trifft. Doch hier sieht die Fabio die „Grenzen der Verfassung“. Er erinnert an ein Urteil des BVG vor einigen Jahren:
„Darf ein entführtes Passagierflugzeug, das als Waffe gegen eine große Zahl von Menschen eingesetzt wird, abgeschossen werden? Nein, sagt das Bundesverfassungsgericht. Lebenschancen dürfen nicht an irgendwelche Qualitäten von Menschen gebunden werden, weder an Alter noch an Geschlecht, weder an Rang noch an Nützlichkeit. Hier wird man die Konsistenz der Anwendung der Maßstäbe im Vergleich zur Triage nur retten können, wenn zwischen Schadensverursachung durch eine Handlung und der Hilfeleistung bei einer Krankheit unterschieden wird. Aber wie überzeugend ist das? Bei existenziellen Krisen entsteht eine Art situatives `Overruling´, nach der Devise `Not kennt kein Gebot´.“
Diese Argumentation verschleiert mehr als sie aufklärt. Denn im Fall des Flugzeug-Angriffs auf eine Stadt (oder im Fall einer Pandemie) geht es nicht um „irgendwelche Qualitäten von Menschen“ und auch nicht um „Nützlichkeiten“, sondern um den Fortbestand eines Landes mit seinen zivilisatorischen und institutionellen Errungenschaften. Genau diese Situation ist gegeben, wenn von einer existenziellen Krise die Rede ist, und sie von der Bundesregierung als schwerste Krise „seit dem zweiten Weltkrieg“ eingestuft wird.
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Kann man Handlungen zu Nicht-Handlungen erklären? – Doch wie sieht die Lösung aus, wenn man jeder Entscheidung über Leben und Tod den Status der Rechtmäßigkeit verweigert? Di Fabio bietet hier eine bizarre Konstruktion an. In der zitierten Textpassage erklärt er die Triage in bestimmten Fällen zu einer Art Nicht-Handlung, indem er sie als Nebenprodukt einer medizinischen „Hilfeleistung“ deklariert. Indem er den Handlungs-Begriff vermeidet, wird – sprachlich – der Eindruck erweckt, die Triage würde gewissermaßen mit geschlossenen Augen vollzogen. Man lässt die Triage unter der Devise „Not kennt kein Gebot“ irgendwie durchgehen. Das aber bedeutet, dass diese Praxis in eine Grauzone gestellt wird. Daran endet die coole Bezeichnung „overruling“ nicht das Geringste. Ist das eine bessere, menschenwürdigere Lösung? Keineswegs, denn die Öffnung eines ganzen Handlungsbereichs unter dem Mantelbegriff der „Hilfeleistung“ ist viel pauschaler und viel schwieriger zu kontrollieren, um Missbräuchen vorzubeugen.
Der Staatsrechtler Steffen Augsberg (Giessen), ein Mitglied des deutschen Ethikrats, wird in der FAZ (8.4.2020) einerseits mit der Aussage zitiert, dass Triage-Praktiken, die „eine im Ergebnis tödliche Handlung“ vornehmen, rechtlich verurteilt werden müssen. Aber andererseits, so wird er weiter zitiert, sei „das Rechtssystem flexibel genug, um der tragischen Entscheidungssituation Rechnung zu tragen“. Soll das heißen, dass das Rechtssystem die Lösungen, die „in multiprofessionellen Teams und beraten durch örtliche Ethikkomitees“ gefunden werden, akzeptiert? In Wirklichkeit ist die „Flexibilität des Rechtssystems“ eine Leerformel. Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften als „rechtlich problematisch“ bewertet, „weil sie den Grundsatz der Gleichheit des Menschenwürdeschutzes in Frage stellen“. Er rät Ärzten und Kliniken davon ab, sich an diese Empfehlungen zu halten, weil sie unter Umständen eine Strafverfolgung riskieren würden. So hängt das Damokles-Schwert der Strafverfolgung über den Entscheidungen der Ärzte – und das lähmt ganz generell ihre Handlungsfähigkeit in tragischen Situationen.
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Kann man das Tragische präventiv vermeiden? – Damit kommen wir zur Haupt-Konsequenz, die der Verfassungsrechtler di Fabio in seinem Artikel zieht: Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass eine tragische Situation überhaupt entsteht. Wenn Entscheidungen über Leben und Tod von Menschen so problematisch sind, besteht die Priorität des Handelns – und das gilt für das ganze Land – darin, eine solche Situation von vornherein nicht zuzulassen. Das ist der Grund, warum bei den drohenden Opfern durch das Corona-Virus, die mit denen eines Weltkriegs gar nicht zu vergleichen sind, doch eine Stilllegung des Landes beschlossen wird, die an den Ausnahmezustand im Krieg erinnert. Das ist auch der Grund, warum, warum diese Stilllegung besonders lange aufrechterhalten werden muss und nur in Trippelschritten erfolgen darf – um nur ja nicht wieder in eine tragische Situation hineinzugeraten. Die Triage wird zum Horrorbild und zum obersten Tabu des gesamten gesellschaftlichen Lebens. Di Fabio entwickelt an dieser Stelle eine ganze Theorie der Identität der Bundesrepublik, indem er schreibt, dass
„…unsere politische und rechtliche Ordnung darauf programmiert ist, das Entscheidungsdilemma der Selektion, das meint `Triagieren´, so weit zu verhindern, wie es irgend geht. Man kann sogar die ganze Identität, das Besondere unserer Republik so verstehen, dass wir prospektiv und vorsorgend alles tun, die Zwänge der Not und des blanken Elends, die banale Logik der Katastrophen und der Kriege gar nicht erst entstehen zu lassen, um die freiheitliche Wertordnung nicht zu gefährden.“
Das sind Sätze von großer Tragweite. Die Vermeidung der tragischen Entscheidungssituation wird gewissermaßen zum Verfassungskern der Bundesrepublik erklärt – und zum Kernbestand der politischen Kultur in Deutschland. Welche Vermessenheit ist hier im Spiel: Ein ehemaliger Verfassungsrichter erklärt, dass die deutsche Politik das vorrangige Ziel hat, Not, blankes Elend, Katastrophen und Kriege „gar nicht erst entstehen zu lassen“. Sonst wäre die freiheitliche Wertordnung „schon gefährdet“. Dass sich eine freiheitliche Wertordnung gerade in solchen Situationen bewähren muss, und kein Staatswesen dieser Welt sie von vornherein einfach durch Vorbeugung ausschließen kann, wird ignoriert. Soll es also die deutsche „Identität“ und „Besonderheit“ sein, dass wir die Tragödien dieser Welt gar nicht erst in größerem Ausmaß an uns heranlassen? Eine solche Verdrängungshaltung führt meistens zu noch größeren tragischen Verwicklungen und Opfern.
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Vermeidung als Markenzeichen deutscher Politik? – Hier reiht sich „Corona“ in andere endlose Baustellen der deutschen Politik ein: Energiewende, Eurorettung, Flüchtlingsrettung, Klimarettung und so weiter. Immer waren es einzelne, im Grunde tragische Krisen, die ohne ein Handeln mit Opfern und bösen Bildern nicht zu bewältigen waren. Krisen, die sich durch keine Vorbeugung und keine „Ursachenbekämpfung“ aus der Welt schaffen ließen. Und der Versuch, den tragischen Entscheidungen zu entgehen, verschob die Probleme nur und verwickelte das Land immer tiefer in sie. Wohin hat Deutschland die „Fukushima-Entscheidung“ gegen die Kernenergie geführt? Und kehrt nicht bei der Massenmigration die ungelöste Grundaufgabe immer wieder, dass es einen Souverän im Land geben muss, der über die Ansiedlung in Deutschland entscheidet? Es sind immer Problemfelder, auf denen es kein Handeln ohne Opfer gibt. Und die Hoffnung, diese tragischen Zwänge vermeiden zu können, ist sichtlich gescheitert. Und doch tut sich unsere politische Kultur nach wie vor schwer damit, dies Tabu des Tragischen anzutasten. Oder auch nur offen auszusprechen. So besteht jetzt die Gefahr, dass in der Auseinandersetzung mit Massenepidemien eine weitere Dauerbaustelle entsteht und wir uns, ohne uns recht zu versehen, in schwerste Krisen hineinmanövrieren.
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Ein falscher Verdacht – In seinem Text erweckt di Fabio den Eindruck, alles andere Handeln, das nicht einer Strategie des Vermeidens tragischer Entscheidungszwänge folgt, führe in Richtung autoritärer Regime und zu „Führerglauben“. Auch in diesem Text wird also die Keule „gegen rechts“ geschwungen. Di Fabio schreibt, ohne Namen zu nennen, von „Ländern, die ohnehin autokratische `Infektionsanfälligkeiten´ zeigen“ – und nimmt damit eine Art medizinische Ländereinteilung vor. Doch der Verdacht, der damit gegen das Motiv tragischer Entscheidungen erhoben wird, ist ganz falsch. Diese Entscheidungen haben nichts mit einem Kult der Macht zu tun, der das Opfer von Menschenleben feiert und zur Selbsterhebung missbraucht. Tragisches Handeln bedeutet alles andere als eine besondere Überhöhung des Handelnden. Es ist immer schmerzvolles Handeln, das sich der Schuld, die es auf sich laden muss, sehr wohl bewusst ist. Man sollte sich den tragisch Handelnden nicht als glücklichen Menschen vorstellen. Eher als jemanden, der sich der Fähigkeiten, die ihm als Mensch gegeben sind, würdig zu erweisen versucht.
(erschienen am 17.4.2020 in meiner Kolumne bei „Tichys Einblick online“)